BUCHREZENSIONEN

RUSSELL WANGERSKY –

Walt

Eigentlich ist Walt ein Durchschnittsmensch. Arbeitet, regelmäßig, in einem Supermarkt, war mal verheiratet mit Mary, hatte Träume und Wünsche,  und hat jetzt ein kleines Hobby. Er sammelt Einkaufszettel. Die kleinen Papiere, wo man notiert, was man einkaufen muss, die so manche Leute achtlos in den Papierkorb fallen lassen, oder einfach verlieren. Kleine Fetzen Papier, die so manche Information offenbaren. Die Handschrift, den Untergrund der Schreibbasis, und das geht von Werbeprospekten, bis hin zu Kontoauszügen oder Fragmenten von persönlichen Briefen, die Walt mehr verraten über die Lebensweise von Menschen, die an ihm vorübergehen, die ihn nicht einmal wirklich wahrnehmen in seinem Job. Aber er weiß alles über sie. Russell widmet sich einem Thema, das man ganz schnell in den Hintergrund schiebt, Datenklau. Hier noch nicht mal in einem großen Umfang, der den persönlichen Ruin der bestohlenen Person zur Folge hätte, da Walt ja nicht das Konto plündern gehen oder denunzieren will, er will ein kleines Stück persönlicher Macht, fundiert durch Wissen, das eher nachlässig ihm vor die Füße geworfen wurde. Kein Wunder, weil Mary ja doch etwas extravaganter und dominierender war, als er selbst. Herr Wangersky ist zwar nicht gerade der schnellste Schreiber, aber wenn er auf den Punkt kommt, dann trifft er den Nagel auf zielgerecht auf den Kopf. Um als Psychothriller durchzugehen, hat das Buch zu wenig Fleisch, aber eine gutgemeinte Warnung vor Psychopathen, die in Deinen Abfall wühlen und den, dann folgenden, Aktivitäten, die solche Leute dann an den Tag legen können, ist es dann schon. Vor allem dann, wenn das Opfer scheinbar wehrlos ist. Hat ja keine Ahnung, woher das kommt. Ist schon komisch, was wir unserer Umwelt verraten. Und da wir selbst, meist etwas lax, damit umgehen, können wir uns nicht wirklich ausmalen, was manche, noch so kleine, Information ausmachen kann, uns so einige Durchgeknallte selbst auf den Pelz zu hetzen. Und wenn das schon in Neufundland, Kanada, passieren kann, wo garantiert kein einziges Karibu oder ein Elch irgendwelche Einkaufszettel sammeln würde, aber deren Population denen der Menschen weit übersteigt, was kann es dann für Folgen haben, wenn in einer Großstadt wohnt, wo man vegetarisch lebende Herdentiere an einer Hand abzählen kann, meist nur in Zoos, und dann ein völlig Verpeilter plötzlich auf der Matte steht und nicht nur Deine Unterwäsche zählen und begutachten will. Oder nur die Katze streicheln. Unter dem Titel „Walt“ hätte Russell den Aufkleber „Warnhinweis“ anbringen sollen. Vielleicht geht das ja bei der nächsten Auflage. Wäre hilfreich für Menschen, die ihren Einkaufszettel achtlos in den Müll werfen, den die Walts dieser Welt durchstöbern.

(Knaur)

ISBN 978-3-426-51742-0    303  Seiten  14,99€ (D)  15,50€(A)