BUCHCOVERREZENSION
Sussman.p DasLetzteGestaendnis

PAUL SUSSMAN –

Das letzte Geständnis

Eine Frage, die sich, hier auf jeden Fall, stellt. Ist das vielleicht Pauls Geständnis? Vermutlich nicht, weil Paule die Hundert leider nicht erreicht hat. Wem er bei dem Geständnis zugehört hat, sollte RIP, Raphael Ignatius Phoenix, dann mal selbst erzählen. Und Rafi hat so einige Geschichten auf Lager. Der Protagonist hat seinen Biografen überlebt. Zumindest auf diesen Zeilen. Paul Sussman hat hier Seiten vor den LeserInnen ausgebreitet, die sie oder er mit ziemlicher Geschwindigkeit durchforsten werden, immerhin hat Raphael doch das eine oder/und andere zu berichten, zu beichten und sich auf seinen Selbstmord zu seinem hundertsten Geburtstag vorzubereiten. Da kann die Zeit schon knapp werden, vor allem, wenn einem die Filzstifte ausgehen. RIP hat sich, nach seinem zehnten Mord, an einen einsamen Ort zurückgezogen. Da war er etwa fünfundachtzig Jahre alt und ist aus dem Altersheim, aus verständlichen Gründen, dann mal ganz schnell ausgezogen. Aber das ist ja nichts Neues in seinem Leben, den Tatort zu verlassen und, wohin es ihn auch immer verschlagen hat, zu versuchen neu anzufangen. Zehn Morde hat Rafi zu verzeichnen, die fast alle unter doch recht amüsanten Vorzeichen standen. Jetzt, kurz vor seinen hundertsten Wiegenfest, will er mit seinem Leben abschließen und, eine Art Vermächtnis und Lebensbeichte hinterlassen. Dazu benutzt er seine derzeitige Bleibe, um die Wände mit seiner Biografie vollzuschreiben, deswegen die Filzstifte. In seiner Kinderzeit hatte er eine kleine Freundin, Emily. Zu seinem zehnten Geburtstag durchstreifen sie, unerlaubt natürlich, die Apotheke von Emilys Vater, wo eine geheimnisvolle Tablette herumliegt (Zutaten bitte dem Buch Text entnehmen), aber sie soll zeitnah tödlich wirken. Emily ringt ihm das Versprechen ab, niemals diese Tablette als Mordwaffe zu benutzen, was der kleine Raphael auch, hochhausmäßig, dann verspricht und so bekommt er, als zehnjähriger Bengel eine tödliche Mischung geschenkt, da lässt Emily sich nicht lumpen und Papas Prunkstück der tödlichen Kombination auf ein kleines Stück, festgepressten Stoffs, wechselt den Besitzer. Raph kriegt die Tablette, Papa einen Pfefferminzbonbon. Neunzig Jahre schleppt der Knabe das Teil mit sich herum (Zutaten, siehe oben). Und sein Versprechen hat er eingehalten. Seine Morde hat er immer anders hinbekommen, mit einem Heißluftballon, einem Gebäckstück plus einem Rollstuhl, einem Tresor, in dem ein mickriger Silberbarren lag, der diesem Aufwand nicht gerecht wurde, zwei Teddybären, die er als Geisel nahm, sogar einem Halloween-Kürbis, wobei das nicht wirklich so beabsichtigt war und hatte auch noch Alligatoren als Handlanger. Der Fantasie waren Paul Sussman keine Grenzen gesetzt. Und bei explodierenden Badewannen kann man so richtig ins Träumen kommen. Nach jedem Tötungsdelikt taucht Emily wieder auf und lotst Raphael aus der Gefahrenzone, nur wirklich altern tut sie nicht. Und so kommt er weit in der Welt herum und hinterlässt einen leichengepflasterten Weg, wobei man anerkennen muss, dass er auch gewisse Gründe hatte, für sein Handeln, es jedoch nicht als Entschuldigung gelten lässt, nicht mal vor sich selbst. Den Konsum dieses Buches sollte man, vielleicht, jedoch besser im stillen Kämmerlein ausüben, da es doch für Unverständnis bei der Umwelt sorgt, wenn man Tränen lachend auf dem Tresen seiner Stammkneipe zusammenbricht oder, vor sich hin glucksend, in öffentlichen Verkehrsmitteln sitzt und man angeschaut wird, wie ein außerirdisches Wesen, das eher in einen Zoo gehört, als in den tristen Alltag von Handyschauern, gelangweilten Mitmenschen und anderen aktiven Nichtlesern zu passen. Ja, Paule hat hier ein Vermächtnis hinterlassen. Von Mord zu Mord bekommt man, mehr und mehr, ein irres Grinsen im Gesicht und das kann, öffentlich nur mit einer Jacke enden, deren Ärmel auf dem Rücken verknotet werden und einem einen, ganz bestimmt nicht erholsamen, Aufenthalt in ganz bestimmten Etablissements eintragen. Oder wir schließen uns zusammen und lesen das Buch gemeinschaftlich in der Öffentlichkeit, damit auch die anderen mitbekommen, was Paule hier verzapft hat. Wär doch mal eine Idee!

(Droemer)

ISBN 978-3-426-30439-6      430  Seiten  14,99€ (D)  15,50€(A)