BUCHCOVER | REZENSION |
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TANJA KINKEL –GötterdämmerungFrau Kinkel ist eine Schriftstellerin mit Mumm in den Knochen. Das kann man ihr schon nach den ersten Seiten bescheinigen. Neil LaHaye ist Journalist und Schriftsteller, nur leider mit dem „Makel“ behaftet, wirklichen, wahrheitsgemäßen Journalismus zu praktizieren und sich nicht zum Hofberichterstatter der Regierung und der Lobbyisten machen zu lassen. Ein Punkt, für den unser „Staatsfernsehen“ zwar das Geld kassiert, aber dem Auftrag aus dem Staatsvertrag eindeutig nicht gerecht wird. Dazu gehört es Fragen zu stellen, Antworten zu suchen und Neil orientiert sich dabei an der amerikanischen Verfassung. Tanja tanzt einen Drahtseilakt, da genau dieses Schriftstück und Prachtexemplar der realen Demokratie nach dem 11. September, und schon vorher, praktisch, außer Kraft gesetzt wurde und nur noch auf dem Papier existiert. Der Patriot Act ist das genaue Gegenteil und Neil prangert das an, in einer Zeit als alle in Hysterie verfallen. So wird er zum Außenseiter und als „Verräter“ an der amerikanischen Nation abgestempelt. Seine Frau, die für einen Senator, mit ziemlich weitreichenden und hochfliegenden Ambitionen, arbeitet, muss sich scheiden lassen. Nun hat er ein neues Projekt, will ein Buch über AIDS schreiben, von den Anfängen, als die Krankheit noch nicht wirklich erkannt und klassifiziert war, bis zum heutigen Stand der Forschung. Scheinbar harmlos. Nur stößt er bei seinen Recherchen immer wieder auf Namen und Institutionen. Bei den Verflechtungen zwischen den Pharmakonzernen, Politikern, Militärs und dem lobbyistischen Geldgesindel wird ihm schwindlig, die Hintergründe, die sich dem Journalisten offenbaren, treiben ihn auf die Barrikaden. Frau Kinkel zeigt mehr Courage, als so mancher Zeitgenosse und gibt die an Neil weiter. Seine Recherchen werden so manchen Leuten eine Laus im Pelz, er wird bedroht und soll mundtot gemacht werden. Noch kann er sich dem entziehen, nur wie lange, da sich seine Gegner nicht nur auf seine Person beschränken. Sie dringen in seine Privatsphäre ein, wollen seine Kinder und Ex-Frau als Zielscheibe heraus picken. Tanja ist schonungslos in ihrer Kritik, bei den Machenschaften so mancher Goldstücke unserer Demokratie, treibt es dem Leser die Tränen in die Augen. Als Neil auf Beatrice trifft, die Tochter eines der Wundertiere der Wissenschaft und Pharmalohnsklaven des Konzerns, wo auch sie in unvorstellbare Forschungsarbeiten eingebunden ist, ist es mit aller Liebe und Freundschaft vorbei. Die alles versprechende, nichts haltende Demokratie zeigt ihr wahres Gesicht. Und das ist hässlich. Gut, dass so mancher Buchverlag und auch andere Leute Mumm haben, unser „Staatsfernsehen“ hat den ganz eindeutig nicht. (Knaur) ISBN 978-3-426-62816-3 535 Seiten 8,90€ (D) |