BUCHCOVERREZENSION
Sigurdardottir.y DasGluehendeGrab

YRSA SIGURÐARDÓTTIR  –

Das glühende Grab

Island-Krimi. Wenn das drauf steht, hat man ein Date mit Yrsa Sigurðardóttir, nun ja, mit einem ihrer Bücher, Kaffeetrinken ist wohl erst mal nicht angesagt. Aber die gute Frau pelzt dem Leser Sachen an den Hals, da wird selbiger erstmal drüber nachdenken. Müssen. Fakt ist, wenn man einen richtig spannenden Krimi lesen möchte, kommt man um Yrsa nicht herum. Muss man einplanen. Was unsere Literatin auspackt, sollte man auch verarbeiten, immerhin ist hier nicht die Rede von Perzeptionsmanagement oder Rauschgiftschmuggel in Umfängen, das einem die Augen tränen. Hier ist die Rede von Delikten, im Familien- und Dunstkreis, von denen zwar alle wissen, aber sich jeder bedeckt hält. Sie zeigt eine Spirale der Gewalt, die sich immer weiter nach oben dreht, die auch keiner aufhalten kann und wird, im Nachhinein aber der Verschwiegenheit anheimfällt. Oder fallen sollte, da alle Beteiligten sich in ihre persönliche Zeitblase zurückgezogen haben. Kleine Gemeinschaften, wo jeder jeden kennt. Yrsa bastelt keine Situation zurecht, sondern gibt Informationen, wie läuft so manche Sache aus dem Ruder. Nach einem Vulkanausbruch auf den Westmännerinseln, den nachfolgenden Rettungsversuchen, werden alle Menschen evakuiert und erstmal umgesiedelt. Das Wohngebiet ist zerstört. Jahre später will man dort graben, mit Archäologen, allerdings hat Markus Magnusson etwas dagegen. Nur werden im Keller seines ehemaligen Elternhauses drei Leichen und ein abgetrennter Kopf mit einer Mundfüllung gefunden. Yrsa bläst zur Jagd, wie Flidais. Wie kamen die Toten, plus Kopf, dahin. Die Kellerbelieferung kann erst nach dem Ausbruch des Vulkans passiert sein. Markus steht, erstmal, unter Verdacht, und als seine Jugendliebe Alda tot aufgefunden wird, kommt, unausbleiblich, die Untersuchungshaft wegen Mordes. Frau Sigurðardóttir hat einen feinen Riecher für ungewöhnliche Situationen und lässt den Leser daran teilhaben. Dóra Guðmundsdóttir, als Rechtsbeistand, vertritt den Deliquenten und ist auf der Suche nach der Wahrheit. Nur entpuppt sich das als eine Achterbahn, quer durch das Leben. Und das auch noch mit einer nervenden Sekretärin im Schlepptau. Verwirrung macht sich breit, da die ausschlaggebenden Personen, die zur Aufklärung beitragen könnten, entweder tot oder nicht wirklich ansprechbar sind. Magnus, Markus Vater leidet an Demenz. Spricht von Falken. Und so stochert sich Dóra durch das Dickicht von Informationen. Was ist relevant? Nebenbei verflechtet Yrsa noch ein paar andere Fälle mit hinein und schon ist das Chaos perfekt. Wie passen der Tod einer Frau in einem Krankenhaus und ein Vergewaltiger in die Geschichte? Yrsa schreibt den Wahnsinn, Suchtsymptome machen sich bemerkbar. Rechtsanwältin Dóra Guðmundsdóttir hat immer seltsame Fälle am Start. Das ist eine Garantie mit zeitlosem Rahmen. Frau Sigurðardóttir peitscht auf Gegenwart und Vergangenheit ein, da könnten die alten Römer ihr Konzept, „Brot und Spiele“, mal neu überarbeiten.

(Fischer)

ISBN 978-3-569-18140-7  363 Seiten    8,95€ (D)   9,20€ (A)

Yrsa Sigurðardóttir - Todesschiff - Rezi - Juni 2014
Yrsa Sigurðardóttir - Seelen im Eis - Rezi August 2014