BUCHCOVER | REZENSION |
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STIEG LARSSON –VergebungBeim Leser hat sich Lisbeth Salander so manches Sympathiebienchen ergattert, ohne Zweifel. „Verblendung“ und „Verdammnis“ haben dafür gesorgt, dass eine etwas andere Persönlichkeit das Augenlicht des Literaturkonsumenten erreicht. Nur bei so manchen, von Larssons Figuren, hat sie erheblich im gegnerischen Feld gepunktet, so, unter anderem bei ihrem Erzeuger, Vater zu sagen, wäre wohl eher ein Affront. Alexander Zalatschenko, ehemaliger Sowjet-Agent und williger Überläufer, steht allerdings unter dem Schutz der schwedischen Sicherheitspolizei und ist mit einem fingierten Lebenslauf ausgestattet. Als Berufsverbrecher, während und gerade nach dem „Kalten Krieg“, hat er seine Situation schon reichlich ausgenutzt, nur das der Staat Schweden treu und doof die Hand über ihn hält, hinter ihm aufräumt und dabei unschuldige Existenzen zum Marsch über den Jordan zwingt. Plötzlich werden alle Regeln über den Haufen geworfen, um ein durchgeknallten Vollidioten zu schützen, der könnte ja wertvoll sein oder sehr gefährlich werden. So nimmt man in unserer demokratischen Politik Kollateralopfer hin, ist ja obendrein auf Kosten des Steuerzahlers. Nur Lisbeth will ein solches nicht sein, sie hat sich nicht umsonst durch alle Widrigkeiten gebissen, nur um am Ende des Regenbogens einen Haufen Hundekacke zu finden. Den Topf mit Gold will sie allerdings auch nicht, sie will ihr Prinzip durchsetzen, Schweinehunde müssen zur Kasse gebeten werden, koste es was es wolle. Sie ist zäh, aber jetzt muss sie erst mal aus der Schusslinie gebracht werden. Sie ist angeschossen, begraben und sonst noch malträtiert worden, aber noch lebt sie. Nur in ihrem derzeitigen Zustand ist sie eher so hilflos, wie ein Lamm im Löwenkäfig. So verordnet Stieg ihr einen Krankenhausaufenthalt mit Reha-Maßnahmen. Während Mikael Blomkvist draußen herum hirscht und nach Antworten sucht, immerhin ist hier ein Unrecht aufzuklären, dass vor Jahren seinen Anfang genommen hatte. Und ein paar Morde liegen auch noch unaufgeklärt auf den Schreibtischen der Polizei und der Redaktion der Zeitschrift „Millennium“, waren doch zwei der Opfer ein Mitarbeiter und seine Freundin. Und jemand versucht die Spuren Zala`s zu tilgen. Stieg Larsson wühlt in den Mülltonnen menschlicher Dekadenz, wie ein hungriger Waschbär auf Futtersuche. Wo auch immer sich Leute zeigen, denen erhebliche Mängel an sozialer Kompetenz nachzuweisen sind, egal in welcher Stufe der Hierarchie sie stehen, Larsson nimmt sie treffsicher auf´s Korn. Stieg kann man auf die Fahne schreiben, er ist ein sehr engagierter Schreiber, der nicht Halt macht vor Leuten, die eigentlich das Sagen haben. Und er buddelt ganz tief. Die Leichen im Keller unserer, so hoch gelobten, Demokratie bekommen Namen, Gesichter, sie kriegen einen Lebenslauf. Und sie bekommen einen Anwalt, der zwar das Unrecht nicht mehr rückgängig machen kann, aber jetzt anklagt. Was dabei zu Tage kommt, ist erschütternd. RIP Stieg Larsson. In unserem Universum bleibst Du lebendig. ISBN 978-3-453-43406-6 848 Seiten 9,95 € (D) 10,30 € (A) (Heyne) |