BUCHCOVER | REZENSION |
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Jonas Winner – Der ArchitektEin Anwalt, namentlich nicht genannt, erhält eines schönen Morgens Besuch von einem sehr aufgelösten jungen Mann. Der Knabe wirkt sehr gehetzt und will unbedingt seine Geschichte loswerden, die er während eines Mordprozesses durch gestanden hat. Aber nicht den irgendeinen x-beliebigen Mordverdächtigen, sondern den Prozess, wegen Mordes an seiner Ehefrau und seiner zwei Kinder, gegen den Berliner Stararchitekten Julian Götz. Und so beginnt die Geschichte von Ben Lindenberger, der sich von einem Drehbuchautor zu einem Schriftsteller mausern will und sein erstes Projekt soll das Leben des Architekten Götz werden, einschließlich des Mordprozesses. Und so beginnt er mit seinen Recherchen. Götz, von Kindheit an architekturfanatisch, hat Experimente mit Räumen am lebenden Objekt durchgeführt und das führte zu ziemlichen Problemen bei manchen Leuten. Ben spürt seine Chance ganz groß raus zu kommen, er führt sich in die Familie ein, spricht mit Götz und dessen Anwalt Seewald und wird belohnt, er findet eine Zeugin, die Götz ein Alibi liefern könnte, zum Leidwesen des Architekten, der vorher seines Alibis wegen die Fakten etwas geschönt hatte, und der Zeugin, die im Prozess eigentlich unsichtbar sein sollte. Mit diesem Fakt hat er ja nun gar nicht gerechnet. Zu allem Unglück verknallt sich der Möchtegernbiograf in die gute Frau, der er als erstes das Blaue vom Himmel holt, was seine Mission angeht. Lügen haben kurze Beine, sowohl für den Architekten, als auch seinen, mittlerweile offiziellem, Biografen. Ben verstrickt sich immer tiefer in diese Chose und bald verliert er die Kontrolle, hält sich selbst für den Mörder, was Architektur mit der Psyche eines Menschen anrichten kann, erfährt er am eigenen Leib. Und er ist nicht der einzige, der dort manipuliert wird. Recht grausige Geschichte, die Jonas Winner hier präsentiert. Was gewisse Bauwerke für eine Wirkung auf Mensch und Umwelt haben, bewiesen schon die Pyramiden in aller Welt, die Kathedralen und Opernhäuser, Paläste, dazu Burgen, Festungen, Gefängnisse. Alles kann man hier nicht aufzählen, aber man kann zum Schluss kommen, dass hier ein Architekt am Werke war, der genau weiß, wie er den Leser bei der Stange hält, so das der Literaturkonsument ihm regelrecht aus der Hand futtert. Klasse Thriller mit viel Tiefgang und Einsicht in die menschliche Psychologie, wenn es darum geht, die nichtsahnenden Massen zum eigenen Vorteil zu lenken, Begierden zu wecken und das hinterher gnadenlos auszunutzen, den Menschen, den man beim Wickel hat, konsequent, bis aufs Mark auszusaugen und zuletzt in den Müll zu stoßen. Ein durch und durch phänomenales Werk über Mensch und Umfeld, über Typen, die für ein bisschen Macht, alles in Bewegung setzen, ohne Rücksicht auf auch nur irgendetwas, bodenlose, schwarze Abgründe tun sich auf. Knaur |