BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

CHANG KUO-LI –

Der grillende Killer

Das erste, was man von Chang Kuo-Li mit bekommt, ist eine Übersicht, welche Arten von Scharfschützen es gibt, damit man das strategische Rüstzeug hat, sich, zumindest annähernd in einen solchen hineinversetzen zu können. Ganz wird das nicht klappen, wenn man keine solche Ausbildung gemacht hat, aber es gibt doch einen kleinen Einblick, der hilfreich sein sollte, einige Situationen in diesem Buch zu verstehen. Chang Kuo-Li hat sich inspirieren lassen, von einem Korruptionsfall. Ja, Korruption gibt es nicht nur in Deutschland, auch wenn hier derzeit mehr Ministerposten, Pharmaprämien, Masken, Tests und Impfungen verhökert werden sollen. In Taiwan wollte man Waffendeals einfädeln, und da gerieten viele Interessen aneinander, die man doch anders und sehr einfallsreich, wenn dann auch gewaltsam, auseinander nahm. Das zweite ist sein unnachahmlicher, feinsinniger Humor mit dem er durch die Gefilde streift, die jetzt in seinem Roman auftauchen und er, oder besser seine Gestalten, sind international unterwegs. In Kuo-Lis Buch wird alles gegrillt. Es gibt zwar kleine Ausflüge in die traditionelle Küche Ostasiens und die davon abweichenden Varianten sind durchaus auch nachahmenswert, aber hier geht noch mehr in Flammen auf, als so manchen lieb ist. Besonders dann, wenn man selbst inmitten der Handlung steht, dann wird man schon so manches Mal mit seinem Schriftsteller hadern, der einen mit dem Feuer spielen lässt, ob man will, oder nicht. Chang Kuo-Li selbst sieht das zwar mit Schmunzeln, aber seine Figuren dürften dazu wohl eine andere Meinung haben. Aber so ist es, wie es ist. Kommissar Wu steht kurz vor seiner Pensionierung. Eigentlich besteht seine Tätigkeit nur noch darin, die Tage zu zählen, bis er sein Abschiedsessen durchstehen muss und die unvermeidliche Uhr an seinem Handgelenk umschlungen wird, bevor er seinen finalen feuchten Händedruck in die Rente bekommt. Jetzt pflastern Leichen seinen Weg, die alle einen militärischen Hintergrund haben. Da die Armee Taiwans etwas übersichtlicher ist, als beispielsweise die chinesische, sollten hier Recherchen auch eine schneller Form von Transparenz einbringen. Pustekuchen. In Rom wird eine „Lichtgestalt“ des Waffenhandels ausgelöscht und die Spur des Schützen zieht sich durch ganz Europa. Und er ist nicht allein unterwegs. Da haben sich etliche auf einen Weg gemacht, der für einige einer ohne Rückkehr sein wird. Wie sagte schon Dr. Thomas Binder, je größer der Dachschaden, desto besser die Aussicht auf die Sterne. Chang Kuo-Li zeigt, wenn auch humorvoll und voller Inbrunst, die verschlungene Pfade von politischen, wirtschaftlichen, aber auch persönlichen Interessen, wenn sie miteinander kollidieren und die Personen, die hier mit eingebunden sind, aus welchen Gründen auch immer. Oft ist man nur das Opfer, gerade wenn man in der Hierarchie nur ein Befehlsempfänger ist. Doch auch eine höhere Stellung schützt nicht vor Schäden, wenn man ins Visier genommen wurde und so ein Scharfschütze, gerade wenn er sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat, feuert meist sehr zielgenau. Kommissar Wu ist von solchen Dingen noch unberührt, er soll erst mal den Todesfällen auf taiwanesischem Hoheitsgebiet nachgehen, während sich sein Chef, Eierkopf, auf den Flug nach Europa macht, um dort, vielleicht, erhellende Einblicke zu erhalten, ein Trip, den er mehr zu einer Fressorgie auswachsen lässt, als das er Ermittlungsarbeit leistet. Hatten wir Changs Hang zum Humor erwähnt? Nebenbei gibt es noch kleine Anekdoten aus den Kaiserreich und auch eine Charakterdarstellung von Möbeln. Da kann man sich schon jetzt ein Bild machen, wenn man dann das Buch wirklich zur Hand nimmt und das ist wirklich lesenswert.
(Droemer)

ISBN 978-3-426-28389-9 317 Seiten 16,00€ (D) 16,50€ (A)