BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

JULIA HOLBE –

Unsere glücklichen Tage

Wem bei diesem Titel etwas vorschwebt, dem sei gesagt, ganz entspannt bleiben, Julia Holbe hat fast wirklich nur glückliche Tage im Sinn. Und wenn dann so mancher Tag nicht ganz so erfüllt endet, hat es nur damit zu tun, das ihre Figuren, oder besser Elsa als Hauptprotagonisten, doch so einige Probleme hat, die in diesem Buch unter die Lupe genommen werden und das sind ganz häufig normale Schwierigkeiten, die mit der heutigen Zeit nichts gemeinsam haben. Hier kann man beim Lesen einfach relaxen und sich dem Lebensweg von Elsa anschließen. Teilweise. Und packt das Corona-Thema einfach beiseite, weil damit hat die Autorin aus Luxemburg überhaupt nichts am Hut und das ist auch gut so. Literatur soll, wenn dann, beraten, unterhalten, Wege für den eigenen Werdegang als Leser zeigen und nicht dahin gehen, sich einzureihen in einen Reigen der völlig sinn- und inhaltsfreien Panikmache über einen Virus, der für die meisten Menschen völlig harmlos ist, da er auch mehr ein Symbiont ist, als ein Krankheitserreger. Aber nicht von Bedeutung für Julia, die jetzt menschliche Nähe, Freundschaften und verpasste Gelegenheiten im Leben, aufgrund des gesellschaftlichen Daseins und dessen Wahrnehmung, in den Mittelpunkt stellt und zur Feststellung kommt, dass wir uns viel zu viele Gedanken machen, um unseren Status in einer Gesellschaft, die uns eigentlich nicht locken könnte, wenn wir mal ehrlich darüber nachdenken würden, was denn wichtiger ist oder sein sollte? Reich, einsam und verbittert, oder doch lieber gemeinsam mit Freunden feiern, schwatzen, ausgelassen über einander herziehen und dabei auch noch glücklich zu sein. Die fällt die Wahl doch eher leicht. Früher waren die Freundinnen um Elsa irgendwo an der französischen Atlantikküste unterwegs, um in ihrer jugendlichen Leichtigkeit das Leben zu genießen, eine Art ewigen Sommer zu zelebrieren. Dabei stellt das Leben so einige Weichen, durch deren Befahrung man, später, aufs Abstellgleis gleitet. Aber noch strotzen die jungen Menschen vor Optimismus und ihre Pläne fliegen in den Himmel auf, auch wenn sie es noch nicht merken, das etliche davon den Weg des Ikarus nehmen werden. Das ist später, noch weit hinter dem Horizont. Noch dominieren Freude und Freundschaft. Klar, das es auch Konflikte gibt, aber die löst man oder auch nicht, weil sie nicht in den Vordergrund treten, also bis hier hin sieht erst mal alles fröhlich aus. Danach verlieren sich die Wege im Nirwana, manche Konflikte, auch wenn versteckt, waren dann doch nicht zu lösen und ihre Knoten sprengten die Grenzen der Freundschaft. Aus den Augen... Jahre später löst die Todesanzeige von Lenica einige Knoten und die, mittlerweile älter gewordenen, Frauen treffen sich wieder, teilweise mit gemischten Gefühlen, und müssen sich einer Vergangenheit stellen, die sie eigentlich schon hinter das Paravent geschoben hatten. Hier kann man sich, als Leser, ganz ordentlich philosophisch betätigen, man steht ja neben den Problemen und Katastrophen der Romanfiguren, die sich ziemlich schnell abzeichnen werden. Aber, und Frau Holbe schiebt das gefühlvoll in ihre Seiten, man sollte sich trotzdem selbst mal die Frage stellen, wo ist der Sommer unseres Lebens hingegangen? Vor allem heute.
(Penguin)

ISBN 978-3-328 –10646 – 3 315 Seiten 11,00 € (D) 11,40 € (A)