BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

TORKIL DAMHAUG –

Der Kreis aller Sünden

Das Norwegen als ein Hort krimineller Energie durchgehen kann, dafür sorgen seine Schriftsteller, die ganz gerne Grenzen überschreiten wollen. Da gibt es ja, mittlerweile, viele Namen. Einer der imposantesten ist Torkil Damhaug. Jetzt könnte man sagen, alles nicht ganz so schlimm, aber ein bitterer Hintergedanke sollte trotzdem bleiben. Wenn auch nur ein Prozent wahr ist, was diese Leute aufdecken wollen, dann ist doch angesagt, das demokratische Nacharbeit von Nöten sein wird. Und schon haben wir die Grenze erreicht, die Torkil Damhaug aufzeigen will. Der Mann der Feder ist eine Klasse für sich und er kennt die Band DIMMU BORGIR! Eine Frage am Rande wäre jetzt schon, welcher Norweger kennt die nicht. Ist aber ein Grund mehr, sich diesen Schreibkünstler zu Gemüte zu führen. Und ein Grundsatz Maxim Gorkis leitet ihn immer bei seiner Zeilenführung. „Wir sollten Menschen nicht bemitleiden, sondern ihnen helfen.“ Das sieht bei Torkil, in der Durchführung, zwar etwas komisch aus, aber das Ergebnis ist das, was zählt. Es ist jetzt Jahrzehnte her, dass ein Arbeitsunfall das norwegische Hammerdal erschütterte. Ein Fall, der in den Medien zwar irgendwie zerpflückt wurde, die Wahrheit darüber aber nie an die Augen der Öffentlichkeit kam. Bis Herr Damhaug jetzt damit herausrückt. Und das ist nur das Vorspiel. Die Unglücksfabrik ist jetzt stillgelegt und wird zu einem Abenteuerspielplatz für Jugendliche. Die Gemeinde hat das Gelände zwar gekauft, aber das Erbe ist doch recht schwierig, die Altlasten. Außer den Teens, die jetzt hier ein Bambule aufmachen wollen, schreckt jeder andere zurück, obwohl es genug hoffnungsvolle Fantasien gibt. Vielleicht haben die Planer sich so einige Dinge von unserem BER abgeschaut, passiert ist nichts. Wird unserer Nachfolgegeneration jedoch irgendwie abwegig sein, sie machen ihr eigenes Ding. Ein bisschen Kiffen, Alkohol, soweit das im Norden möglich und erschwingbar ist, oder, einfach nur aus der Armlänge der Erziehungsberechtigten verschwinden, deren Argusaugen einen bis hinter die Tür des Kinderzimmers verfolgen wollen. Und man kann das auch als Gefängnis nutzen, für Gleichaltrige, die einem den letzten Nerv klauen wollen. Gesagt, getan. Streuner wird das Opfer, eingesperrt über eine Nacht. Das ist kein Kinderspiel mehr. Morten, alias Streuner, wird das, ganz bestimmt, genauso sehen. Und jetzt packt Torkil richtig aus. Mortens Vater ist ein Mann, der nicht alle Suppenteller ins Regal zurück sortiert, sondern auch seine Frau bestialisch ermordet und seinen kleinen Sohn, sein Samenkorn, bei dieser Hinrichtung auch noch zum Zusehen gezwungen hat. Da die Leiche von Mortens Mutter nie gefunden wurde, ein Mord also nicht explizit nachweisbar ist, kommt der Knabe wieder frei, jetzt. Und schon stirbt die Hoffnung auf Norwegens Zukunft den Heldentod. Hier fragt man sich ganz schnell, wer ist eigentlich schräger drauf, der Schriftsteller, seine Figuren oder doch eine Gesellschaft, die zwar Tabus predigt, aber selbst nicht kennen will. Man in den Nachrichten wieder hören muss, der, die Täter waren ja schon bekannt. Torkil Damhaug war Psychiater, bevor er die Abgründe, in die er arbeitsbedingt schauen musste, jetzt an den Leser weiterreicht. „Der Kreis aller Sünden“ beginnt etwas behäbig, was man von Tork nicht gewöhnt ist. Eigentlich peitscht er gleich zum Anfang richtig los. Hier lässt er sich etwas Zeit, lässt die Situation wachsen, reifen. Gibt dem Leser Stoff zum Nachdenken. Man muss einfach feststellen, Herr Dauhaug ist auch an seinen Büchern sehr gut gewachsen. Um dann zu explodieren! Ja, so kennen wir ihn. Der Mann hat´s einfach drauf, zu fesseln. Hammerbuch. Die Welle, die auf den Leser zurollt, wird ihn auch mitreißen. Und Torkil hat ja gleich mehrere Pakete im Angebot, die er dem Buchkonsumenten hier und jetzt unter die Nase und Augen reiben wird, als Sonderangebot sozusagen, alles in einem Band.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-52411-4 589 Seiten 14,99€ (D) 15,50€ (A)

TORKIL DAMHAUG – Netzhaut – Archiv August 2014
TORKIL DAMHAUG – In der Schusslinie – Archiv Okt. 2015