BUCHCOVERREZENSION
Grubera Herzgrab

ANDREAS GRUBER –

Herzgrab

Was kann man tun. Einerseits will man sich von seiner Familie distanzieren, weil man mit deren Stil und Gepflogenheiten nicht mehr wirklich klarkommt, andererseits hat man plötzlich zwei, eigentlich sind es, weil der Familienarzt auch ins Gras gebissen hat, drei Todesfälle zu vermelden, die recht mysteriös und auch spektakulär sind, aber doch jetzt der Aufmerksamkeit eines abtrünnigen Familienmitglieds entgegenharren, das lieber für sich geblieben wäre. Teresa Del Vecchio muss sich, aus ihrem heimeligen Wien, wieder nach Florenz, Italien bewegen, wo sie fünfzehn Jahre lang keinen Fuß mehr hingestellt hatte und ihrer Mutter ins Gesicht schauen, die gerade zwei Söhne, Teresas Brüder, begraben lassen muss und noch einen weiteren Sohn, auch Bruder, vermisst. Und dessen Tochter ist obendrein ausgebüxt, in Teresas Heim, nach Wien. Die Enkelin will Oma nicht mehr sehen. Das sind Familienbande, wie man sie nicht wirklich haben möchte. Es sollte eigentlich kein Wunder sein, dass immer mehr Menschen einer Misanthropie verfallen. Kaum in Italien angekommen, verliert sich Teresas Spur. Und ihre Nichte versucht auf selbige wieder zu kommen, nur ihre positiven Erfahrungen mit Privatdetektiven halten sich in recht überschaubaren Grenzen. Schon auf der Suche nach ihrem Vater Salvatore haben sie und ihre Tante recht schnell herausfinden müssen, das dieser Berufsstand auch einige schwarze Schafe auf die Weide führen kann, die dann das Futter zwar verkonsumieren wollen, aber keine wirklichen Ergebnisse zu liefern haben, sind ja keine da. Teresa ist jetzt auch in der Versenkung verschwunden und da sie die österreichische Staatsbürgerschaft hat, schaltet sich jetzt das BKA der Alpenrepublik ein. Andreas Gruber muss mal einen, ganz bestimmt gut gelaunten, Clown beim Frühstück zu Gast und dessen groteske Scherze, wie Honig auf seinen Schrippen, eingeatmet haben. (Für Nicht-Berliner - Brötchen, Wecken, Semmeln, oder auch andere kleine, gut durchgebackene Teigwaren, wie immer man die dann auch regional bezeichnen möchte) Das BKA unseres einen südlichen Alpen-Nachbarn schickt seinen besten Mann zur Nichte von Teresa, um hier mit Nachforschungen zu beginnen und dabei wird offensichtlich, das auch die Suche nach dem berühmten Maler Salvatore Del Vecchio, Vater von Monica, noch nicht wirklich für beendet erklärt, sondern nur mal abgelegt wurde, weil das Geld jetzt fehlt, was italienische Privatdetektive sich in die eigene Tasche gewirtschaftet haben, ohne die erwarteten Leistungen zu erbracht zu haben. Obendrein hat der hochgelobte Kommissar des Österreichischen BKA persönliche Probleme. Er hat den Fall Teresa Del Vecchio zeit- und hautnah an der Backe und ihrer Nichte, für die Suche nach Papa, der italienischer Staatsbürger ist, wo er sich jetzt offiziell nicht einbringen darf, muss er die beste Privatdetektivin empfehlen, die die Erben der Habsburger zu bieten haben. Seine Frau Elena. Die ihn gerade mit einem Seitensprung, nach einer Fehlgeburt, auf der Suche nach sich selbst, betrogen hat. Und das auch noch mit einem der Nachkommen Roms, der ein Kollege von Peter Gerink ist. Seine Vorgesetzte ist auch noch seine Schwägerin, die nicht das geringste Interesse hat, sich in familiäre Dinge einzumischen. Wie sie selbst sagt, redet miteinander und werdet erwachsen. Andreas Gruber ist doch ein kleiner Spaßvogel. Einem Auslandseinsatz zwecks der Suche nach der vermissten Teresa Del Vecchio wird zwar stattgegeben und, nebenbei, wird auch ein Amtshilfeersuchen gestellt. Aber das geht komplett nach hinten los. Peter ist jetzt in Florenz unterwegs und das auch mit dem Mann, der ihn zum Hahnrei gemacht hat. Seine Frau jedoch auch, nur mit Monica im Schlepptau. Und die gut gemeinten Ratschläge, mal zu reden, verpuffen immer wieder, weil der eine oder die andere, gerade in einer Situation gefangen ist, die volle Konzentration benötigt und einer, eigentlich ganz dringend benötigten, Aussprache im Wege steht. Andreas Gruber als Berater in familiären Angelegenheiten? Naja, da wird er wohl ganz andere Vorstellungen gehabt haben. Wäre er selbst betroffen gewesen, hätte er doch, vermutlich, alternativere Wege versucht. Ist er aber nicht. Und so schwirren die Noch-Ehe-Leute immer irgendwie aneinander vorbei. Der eine ruft an, der andere legt dann wieder auf, weil die Situation das nicht hergeben wird, eine entspannte Familien-Diskussion zu führen. Und das mit drei Mordfällen im Gepäck, die allerdings durch die italienische Polizei bearbeitet werden sollten und noch zwei Vermisstenfällen, wo sich das Noch-Paar jetzt die Kompetenz teilen muss. Immer im Dunstkreis, der nette italienische Verführer, mit Österreicher Pass, der mit auf die Dienstreise gehen musste, weil er, als einziger, im Gebirgs-BKA, die Sprache der Nachfahren der Tiber-Metropole beherrscht. Andreas Gruber ist schon ein kleiner Scherzkeks. Was dann kommt, kann man getrost einatmen. Der Mann hat es doch drauf, wirkliches Chaos zu verbreiten. Und, international, okay, eher europäisch, alle Leute aufzuscheuchen, die eigentlich im Büroschlaf versinken wollten. Und seine Sympathie für so manchen italienischen Polizisten kann man getrost sehr eng eingrenzen. Nur, darüber sollte man nicht wirklich nachdenken müssen, wenn man das nicht selbst an der Backe hat.
(Goldmann)

ISBN 978-3-442-48017-3 540 Seiten 9,90 €(D) 10,30 €(A)