BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

LAURA LAM –

Das ferne Licht der Sterne

Ein Buch wie man es sich wünscht. Man kann, oder besser sollte, schon mit der Eingangsklappe beginnen, wo sie ihre Erkenntnisse und Erwartungen preisgibt, die für sie selbst und ihr Schreiben speziell diesen Buches wichtig waren und sind. Gedanken, die sie an die Leserschaft weitergeben möchte. Ohne lange Überlegungen kann man sich mit ihr identifizieren, da sie einem voll aus dem Herzen spricht, gerade bei dem aktuellen Hintergrund. Da sollte man die Seiten nicht lange warten lassen, sondern gleich die Blicke hinein werfen, auch wenn es angebracht ist die Katze vorher zu füttern, denn ein Nachhinein könnte zeitlich schwierig werden, oder, wenn die Königin des Hausstandes ungeduldig und unwirsch wird, könnte es auch ungemütlich werden. Also immer alphabetisch und bedacht organisatorisch vorgehen. Erst die Katze, nicht nur weil da ein A drin, sondern ein häuslicher Frieden für das Lesen unerlässlich ist, dann das Buch. Und das hat es in sich. Die Erde ist am Ende. Immer größere Landstriche veröden, werden unbewohnbar. Da fällt einem spontan ein Ausspruch von Jane Fonda ein, der da lautet, Wir gehen mit dieser Welt um, als hätten wir noch eine zweite im Kofferraum. Manchen Leuten, vor allem jenen die reich und mächtig sind, geht das am hinteren Körperende vorbei und so steigt die Todesrate vor allem der armen Menschen. Was dann Juliette Grećo auf den Plan ruft, die sagte, wer nicht zur Liebe und Achtung fähig ist, hat auf dieser Erde nichts verloren. Leider ist unsere Realität heute eine andere und die Zahl der emphatisch minderbemittelten Gestalten wird immer größer. Aber es gibt auch andere, Mitbewohner dieses Planeten, die sich doch einen Kopf machen wollen und, im Zuge der bevorstehenden Katastrophe, die unausweichlich scheint, reift der Plan heran, die Erde zu verlassen und per Raumschiff zum Planeten „Cavendish“ vor zufliegen um dort die Lage zu sondieren, ob man dort auf eine neue Zukunft, die lebenswert ist, hoffen kann. Nur fliegt nicht die ursprünglich geplante Crew, sondern eine Mannschaft von fünf Frauen entert die „Atalanta“ und büxt aus. Die bahnbrechende Idee, das sie, die Frauen, es besser machen können als die Männer, die ohnehin wieder nur ein kapitalistisch-imperialistisches System installieren würden wollen im Hinterkopf, brechen sie hoffnungsvoll in die unheimliche Weite des Weltalls auf. Auf der Erde bricht der Sturm der Entrüstung los, allen voran das Patriarchat. Es hagelt Drohungen durch den Äther, alles was man ausdenken kann und man versucht das Schwesternschiff jetzt in Rekordzeit zu vollenden um auf Abfangkurs gehen zu können, da die female Crew es versuchen könnte, hinterm Mars die Anlage für den Start des WARP-Antriebes zu zerstören. Dazu muss man, oder Frau, erst mal unbeschadet hinkommen, denn das Leben in einer Blechzigarre im Weltall birgt doch etliche Gefahren und ein Reparaturdienst oder Werkstätten für interstellare Familiengefährte lauern auch nicht gerade hinter dem nächsten Planeten. Dazu kommt das beengte Umfeld, in dem Astronauten ständig aufeinander glucken und das Wort Privatsphäre doch eine ganz andere Bedeutung vermitteln wird. Alles in allem sind das recht ungünstige Lebensbedingungen. Und wenn dann eine Havarie eintritt, gibt es Probleme. Die Warnsysteme der „Atalanta“ zeigen rote Lichter. Jetzt zeigt sich, zum ersten Mal, wie die Frauen ticken und mit der Situation umgehen wollen, Das geht natürlich nicht ohne Spannungen ab, vor allem deswegen, weil da jemand sein wahres Gesicht zeigt. Und das ist nicht human, obwohl doch diese Expedition unter dem Zeichen der Menschlichkeit stehen sollte. Hier zeigt sich, das jemand, der sich als Philanthrop bezeichnen möchte, doch andere Ziele haben kann und sich über das Wohlergehen seiner Mitmenschen hinweg setzen wird, ohne sich einen Dreck darum zu scheren, wie es diesen wirklich ergeht und diese Wege sind recht vielfältig, meist versteckt, das man das Wahre dahinter nicht sieht, sondern so mancher sich verblenden lässt und in genau das Horn stoßen wird, das der vermeintliche Philanthrop dann als Instrument vorgeben möchte um seine Ziele, die meist sehr egoistischer Natur sind, ohne Rücksicht durchzusetzen. Eine Parallele, die Laura Lam sehr düster und dystopisch in ihre Zeilen einarbeitet. Nur vertritt sie den Standpunkt, wenn Recht zu Unrecht wird, und umgekehrt, dann sollte Widerstand zu einem Pflichtfach werden und hier setzt sie die Brechstange an, um ihrer Besatzung und der Leserschaft den Blick schärfen. Sie dazu ermuntern will, mal hinter die Kulissen zu schauen. Nur weil einer Geld hat und das einsetzt, heißt das noch lange nicht, das es nicht auch Verlierer auf der ganzen Strecke geben wird. In dieser Situation sind wir auch heute. Laura Lams Buch ist recht provokant, aber mutig geschrieben und hammerhart an der Realität dran, obwohl das eigentlich Science Fiction ist. Aber so weit entfernt ist es dann doch nicht.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-52700-9 380 Seiten 16,99€ (D) 17,50€ (A)