BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

VITU FALCONI –

Korsische Vendetta

Da ist er. Teil III. Eric Marchant konnte sein schwergeborenes, gegenwärtiges Buch beenden und harrt jetzt der Veröffentlichung entgegen. Vitu Falconi steht ganz entspannt zu dieser Beziehung. Immerhin ist das ja auch irgendwie sein eigenes Kind. Aber bevor er grünes Licht gibt, hat man noch einige andere Probleme an den Hacken, die man doch besser klären sollte. Und an den Fersen von Eric kleben so einige. Obwohl er nicht mal dafür etwas kann. Klar, er liebt die geschiedene Frau seines Erzwidersachers, der zwar nicht das ganz große Alphamännchen im Korsischen Wolfsrudel ist, zumindest jedoch das nächstgrößte, der Erbe sein, darstellen möchte. Wunschdenken. Aber das ist doch eigentlich schon Hundekot von gestern. Eric ist der letzte Nachfahre der Giuliani, der Schlächter der Santini-Sippe, aber das ist doch auch schon Geschichte, nur wird hier hin und wieder mal noch der Kochlöffel geschwungen, um die Suppe etwas sämiger zu halten. Vitu Falconi macht sich wieder die Ehre, seine Figuren in einen Saint-Veits-Tanz zu bringen, den er genüßlich beobachtet. Immehin will er ja auch seine eigenen Leser wieder auf Formation bringen und nicht nur die von Eric Marchant. Pseudonym? Wir bleiben mal bei Vitu, den Rest kann er selbst aufklären, wenn er möchte. Erwischt haben wir ihn auch so. Ob einige seiner Romanfiguren, soweit sie noch leben sollten, damit einverstanden sind, sollte an dieser Stelle nicht wirklich eine Rolle spielen, zumindest nicht für uns. Eine erste Pressemeldung schiebt sich ins Visier und da kommt doch schon Bewegung ins Geschehen. Überfall auf das eigentliche Alphamännchen der korsischen Nationalisten und dessen Betaprogrammierung. Laurines ehemaligen Schwiegervater und ihren geschiedenen Göttergatten, die sie beide, zutiefst verachtet. Ist schon einen Teil und vier Monaten her. Die Frage, die sich stellt, was ist diese Meldung wirklich wert? Waren es nun Täter mit terror-islamischem Hintergrund oder korsische Bandenkrieger? Steht ja beides zur Auswahl, und das in einem Artikel! Dazu gibt es noch die aufklärenden Zeilen, dass das zweite Ziel dieses Anschlages überlebt hat. Das nennt man doch wahren Journalismus. Wenn Mateu Santini jetzt noch im Fadenkreuz stehen sollte, dann hat man ihm das jetzt riesengroß auf den Rücken gemalt. Vitu Falconi kann begeistern. Wird Mateu zwar nicht gefallen, aber wer fragt schon Romanfiguren. Jetzt geht es richtig los. Als erstes Ziel wird Petru Ciosi auserwählt. Der Journalist wird Ziel einer Enduro-Mannschaft, die man hinterher „zweifelsfrei“ als Maghrebs identifizieren kann. Ob das dann wirklich Marokkaner, Syrer oder Iraker waren? Der Fremdenfeindlichkeit wird erstmal Tor und Tür geöffnet. Die vermutenen Identitäten, bei zwei Motorradfahrern, stammen jetzt aus drei verschiedenen Ländern, die, teilweise nicht mal eine gemeinsame Grenze und auch keine wirkliche gemeinsame Geschichte haben. Nordafrika war, größtenteils, französische Kolonialpolitik, der nahe Osten immer in der Hand der Empirekrieger, die so stolz darauf waren, das in ihrem Königreich die Sonne nie untergeht. Das einzige gemeinsame wäre der Islam. Doch das was viele Pressemeldungen gerne verschweigen, oder auch zudichten wollen, was ist diese Religion wirklich. Und dieses Halb-, oder doch bessser, Nichtwissen findet jetzt Zugang zu einer Bevölkerung, die sich eh schon sehr schwer tut, Neues zu akzeptieren und fällt hier auf fruchtbaren Boden. Umgekehrt ist es aber genauso. Die Immigranten, deren Hintergrund jetzt in den Dreck gezogen wird, sind genauso desinformiert und dementsprechend auf Brass gebürstet. Die Politik der Caesaren „divide e dominae“ ist auch heute noch aktuell. Und das wird doch nur zu gerne ausgenutzt. Korsika ist ein Pulverfass und wenn man auf seiner Zündschnur tanzen möchte, dann sollte man dessen Länge auch ganz genau kennen. Im Gegensatz zu seinem Schriftsteller Vitu Falconi, kennt Eric Marchant die Grenze nicht und darf sich wieder mal strecken. He, der Mann hat ein neues Buch draussen. Und Kriminalkommissar Figuret hat ein neues Leben bekommen, das er ganz bestimmt genießen will. Warum muss dann immer einer daneben stehen, der dann sagt, Alter mach mal die Gliedmaßen gerade und hole mal die Kastanien aus dem Feuer, die ich gerade reingepackt habe. Ganz klar, als Schriftsteller hat man Knechte, die das für einen tun müssen. Da spielt es keine Rolle, wenn man als untergeordneter Schreibfritze diese Verantwortung weitergeben möchte. Die bleibt dann doch in dieser Instanz hängen. Pech für Erich Marchant. Wenn man der Schriftsteller eines Schriftstellers ist, können die Karten ganz schön schlecht aussehen. Vor allem dann, wenn korsische Einblicke in das Leben doch andere Sachen vorsehen. Zumindest gibt Vitu Falconi so einige Blicke auf die korsische Küche preis und auf die Mentalität so einiger Mitbewohner, die zwar bei gefallenen Schüssen aus Projektilwaffen keine Miene verziehen werden, aber recht rabiat zusammenzucken werden, wenn man alkoholische Getränke auf dem Fussboden verschüttet und auch noch die Behältnisse dafür zerbricht. Alkoholmissbrauch hat auf Korsika doch eine ganz andere Bedeutung. Irgendwie ist es aber auch verständlich, wenn der Sohn, der jetzt seine Zukunft begraben muss, seinen eigenen Vater erschießt, der ihn um selbige betrogen hat. Diese Mentalität in Deutschland eingeführt, dürfte zu einigen Problemen in unserem Justizsystem führen und dieses komplett überfordern. Wobei sich die Frage stellt, wann wäre dieses System denn überhaupt voll handlungsfähig. Diese Antwort darauf hat doch schon Thomas Thiemeyer gegeben, eigentlich geht das gar nicht. Lehnt Euch zurück, Eric Marchant wird seinen Schriftsteller nicht wirklich düpieren wollen, er bekommt ja seinen Kuss im Abendrot. Und den hat er auch gut verdient.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-521579-1 297 Seiten 14,99€ (D) 15,50€ (A)