BUCHCOVERREZENSION
Stromiedel.m Nachtfrost

MARKUS STROMIEDEL –

Nachtfrost

Markus Stromiedel könnte man auch als ein Orakel verkaufen. Er schreibt ein Buch und schon nehmen die Dinge auch im realen Leben ihren Lauf. Er schaut, sozusagen, schon mal in unsere Zukunft und da sieht´s ziemlich finster aus. Dann können wir uns schon mal an das Gefühl daran gewöhnen, eine Flugdrohne als Begleiter zu haben, die uns auf Schritt und Tritt ausspionieren möchte, egal, in wessen Auftrag. Paule darf das jetzt schon ausprobieren. Genau der. In Markus Auftrag durch die Seiten wandernd, hat ja auch lange genug gedauert, ist Hauptkommissar Paul Selig wieder in Berlin und Umland unterwegs, wobei man letzteren Begriff ziemlich weitläufig interpretieren muss. Sein Weg führt, später, bis nach Polen, Krakau. Auf dem internationalen Flughafen dieser Stadt geschieht ein Mord an einem Menschen, der im IT-Bereich eine große Nummer ist, war, der sich der Aufdeckung und der Dokumentation von Regierungsverbrechen verschrieben hat und kurz vorher herausfand, dass viele ihm zugespielte Daten gefälscht waren. Aber davon weiß Paul noch nichts. Herr Stromiedel ist fester Überzeugung, sein Ermittler muss es um diese Zeit auch noch nicht erfahren. Stattdessen kommt ein älterer Herr, in Berlin, auf ihn zu und erklärt ihm, dass er, der ältere Herr, demnächst ein Mordopfer sein wird und präsentiert dem Hauptkommissar auch gleich den Mörder, wie auf einem Silbertablett. Erhard Lasnik, Geschäftsführer einer Firma, die auf Daten- und Rechnerschutz spezialisiert ist. Für Berliner Leser ist das ja richtig knorke, man kann mit dem Buch vor der Nase ja gleich in die Öffentlichen Nahverkehrsmittel einsteigen und eine Rundfahrt machen, wo Markus seine Protagonisten herumwerkeln lässt. Wenn man ein Abo hat, sollte das kein Problem sein. Paul Selig hat jedoch den angekündigten Toten am Hals und muss jetzt zusehen, wie er das auf die Reihe bekommt. Genug „Beweise“ bekommt er per Post. Zeitgleich ist der Cyberterrorismus unterwegs. Im Bundestag, so einigen Ministerien, Exekutiven und auch anderen Büros werden fast alle Rechner lahmgelegt. Microsoft war das garantiert nicht. Der Daten-Abgleich und –Austausch muss wieder per berittenen, okay, heute motorisierten oder radelnden, Boten stattfinden. Außer Paule sein Computer. Der hatte einen USB-Stick mit einer Schutzsoftware, von der jedoch keiner etwas wusste. Schön wenn man Freunde, oder ein Kind hat, dass mit so einige Leute bekannt ist, auch, wenn diese am Rande einer Legalität wandern, die man heute gerne in andere Sphären einnorden möchte. Während dessen macht man sich in den politischen Führungsetagen die Gedanken, wie man das Kind, das klaftertief im Brunnen liegt, wieder herausbekommt. Ausgerechnet der Mann, den die Bundesregierung jetzt präsentiert, Erhard Lasnik, der angekündigte Retter der bundesdeutschen Regierungsrechner, wird direkt nach der Pressekonferenz mit der Kanzlerin, die heißt hier nicht Merkel, Gott, oder besser, Markus sei es gedankt, postwendend von Paule verhaftet, wegen Mordverdachts an dem älteren Herrn, Winterberg. Der hatte ein Problem, eigentlich mehrere, mit Herrn Lasnik, aber auch hier hüllt sich Herr Stromiedel gegenüber seinem Ermittler erst mal in Schweigen. Markus will die Situation wachsen sehen und Paule ist genau der Mann, der hier das Wasser auf den frisch gepflanzten Baum seines Schriftstellers gießt. Ahnungslos um die Pläne seines Schöpfers geht er jedoch intuitiv an die Sache heran, wie man ihn auch schon vorher kennen und lieben gelernt hatte, auch wenn das etwas länger gedauert hat … Tschuldigung, das Thema hatten wir schon. Lassen wir Herr Selig seinen Weg gehen, der sich jetzt als einen Erben Delphis sehen kann, einen Punkt, den er sich mit Markus teilen muss, oder besser, Schreiber und Protagonist gemeinsam ausfüllen werden. Paule hat jetzt seine Drohne, die ihn auf Schritt und Tritt verfolgt. Sein Sohn ist auf „Mission Impossible“, was Herr Selig jedoch, trotz mancher Bedenken, oder gerade weil ihm diese Truppe seinen Rechner geschützt hatte, lieber nach hinten schiebt. Der Spruch „Vertrauen ist gut, Kontrolle besser“ greift bei Tobias sowie so nicht, und deswegen macht der Hauptkommissar lieber die Katze, aber eben nicht bei seinem Nachwuchs. Legt sich auf die Lauer. Dafür hat er, nicht unerwartet, aber plötzlich, interessante Gäste in seinem Haus. Das SEK reitet bei ihm ein. Ist zwar nichts Neues in seinem Lebenslauf, aber das dürfte einer näheren Beziehung zu Maria doch eher widersprüchlich sein, da er sie als, eine Art, Zielperson benutzt, und kann nur froh sein, dass die gute Frau es so gelassen hinnimmt. Liebe kann schon seltsame Wege gehen. Hey, noch ist nicht wirklich was passiert, wenn man vom blutigen Berliner Pflaster mal absieht. Wer hier schon würgen will, sollte erst mal abwarten, was Markus noch zu bieten hat und die Nahrungsaufnahme, bis auf Dosenbier und Käse, strikt verweigern. Bier, weil es den Magen füllt, Käse, weil er den Magen verschließt. Herr Stromiedel hat noch einen Royal Flash in der Hand. Herr Winterberg, der oben erwähnte ältere Herr und Mordopfer, mit bekanntem Mörder in der Haft, hat noch einiges zu sagen. Auch wenn er schon tot ist. Und das ist richtig interessant. Markus Stromiedel hat noch so einige Kerzen zum Anzünden, und das ist auch sehr wichtig. Was damals geschehen ist, kann man nicht mehr ändern, aber aufarbeiten. Auch wenn es sehr spät ist. Was heute passieren kann, darüber will so mancher nicht reden. Martin Maurer könnte da einige Dinge bei steuern. Den Stasiopfern wird das nichts mehr nutzen, das ist glasklar. Aber diese Opfer werden heute noch schlimmer missbraucht, weil sie plötzlich in einem Licht stehen werden, was sie selbst nicht wollten. Und in deren Schatten unsere heutigen Machthaber aber jetzt sehr gern ein neues Spiel mit uns treiben wollen, in deren Dunkelheit sie selbst agieren wollen und werden.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-52067-3 413 Seiten 9,99€ (D) 10,30€ (A)

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MARTIN MAURER – Terror – Archiv Juni 2014