BUCHCOVERREZENSION
Connelly.m Ehrensache

MICHAEL CONNELLY –

Ehrensache

Dieses Buch ist einem Menschen gewidmet, dessen Leiche man am 9. September 1899 gefunden hatte. Wo man einen Mord nachweisen konnte, doch nie einen Schuldigen fand und, vermutlich, auch nicht wirklich gründlich nachgehakt hat. Ein Alptraum für viele Ermittler, denen Gerechtigkeit am Herzen liegt. Michael Connelly führt das zwar nicht weiter aus, lässt diesen Fakt jedoch offen im Raum stehen und in seine Handlung mit einfließen. Harry Bosch ist pensioniert. Im Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber und, natürlich, ziemlich sauer. Ungeachtet dessen stellt Michael Connelly den Mann vor die Wahl. Er kann jetzt seine Harley Davidson, die schon zwanzig Jahre in seiner Garage vor sich hinlümmelt, und Schimmel angesetzt hat, eine Panhead, Baujahr 1955, also das Modell das Lee Marvin im Film „Der Wilde“ fährt, restaurieren und dann schauen was kommt, oder…? Sein Halbbruder Mickey Haller tritt an ihn heran. In einem Mordfall, in dem er einen mutmaßlichen Mörder, als Verteidiger, vertreten wird. Den Mick auch noch für unschuldig hält. Strafverteidiger stehen jedoch auf der anderen Seite des Gesetzes, als der, die Harry, in seiner jahrelangen Karriere als Polizist und Ordnungshüter, verteidigt hatte. Und auf der Liste sympathischer Individuen eher in der Nähe des Erdkerns, als auf der Höhe des Saturns zu suchen sind. Verwandtschaft hin oder her. Für Bosch ein klarer Fall von Ablehnung. Herr Connelly gibt zwar kleine Einblicke, wie kann ich meine Harley, ein wirklich wuchtiges Motorrad, das ja wahrscheinlich auch jeder vor seiner Tür, oder noch im Keller, zu stehen hat, wieder auf Vordermann bringen kann, sein Informationsfluss zu diesem Thema hält sich jedoch in engen Grenzen. Die Tatsache, dass es, vermutlich, weniger Harley Davidson gibt, als zu Unrecht beschuldigte Delinquenten in amerikanischen Gefängnissen im Todestrakt, befeuert Michael Connelly zu Höchstleistungen.  Wenn ein Unschuldiger im Knast sitzt, muss der Schuldige ja noch frei herumlaufen. Eine These, die Harry Bosch in die Wiege gelegt wurde. Der Geburtshelfer,  dafür, ist ja sattsam bekannt. Und so macht sich der Zwangsrentner, der eigentlich, alleinerziehend, seine Tochter auf das College vorbereiten will, mal wieder in die Spur. Nur auf der Seite, die er nie betreten wollte. Mick Haller ist zwar sein Halbbruder, aber, die Begeisterung für dessen Job als Strafverteidiger hatte schon immer sehr geringe Dimensionen in Boschs Leben. Wir buchten sie ein, ihr holt sie wieder raus. Das ist Bruderliebe, wie sie, nicht, im Buche steht. Beim Anblick der Tatortfotos gerät ein kleines Detail in Harrys Augenwinkel. Was jeder übersehen hat. Übersehen oder ignorieren wollte, ihm aber keine Ruhe lassen wird. Michael Connelly wollte einen Falken, der sieht,  einen Maulwurf, der gräbt, und einen Tiger, der schlägt. Und das in Personalunion. Vielleicht sollte Michael mal etwas mehr Kohle springen lassen, wenn er drei Jobs auslobt, aber nicht mal einen bezahlen will. Zwei geplante Aspekte davon hat er, jedoch gut umgesetzt. Harry Bosch ist auf der Fährte. Sieht und gräbt. Beim Schlagen mangelt es noch etwas, zumindest in diesem Fall, da Harry sich selbst als einen Verräter an seinen ehemaligen Kollegen sieht. Polizisten buchten Mörder ein, klarer Fall. Rausholen ist nicht ihr Ding. Nur, wenn man korrupten Kollegen auf die Spur kommt, die einem auch noch am Leder flicken wollen, dann spielt diese Antipathie, eher, keine Rolle mehr. Harry Bosch hat definitiv einen neuen Höhepunkt, auch wenn er dafür über seinen eigenen Schatten springen muss. Aber das ist genau das Problem eines jeden Arbeitnehmers, der seinen Job akribisch genau ausführen möchte, von seinen Vorgesetzten aber in den Regen gestellt wird. Versaust Du das Ding, bist Du allein schuld. Bringst Du die Felle ins Trockene, feiern Deine furchtlosen Anführer und verteilen Prämien. An sich selbst. Sollte Romanfiguren genauso tangieren, wie Dich. Michael Connelly hat hier ein schlechtes Gewissen. Mick will ja zahlen. Da er aber auch nur eine Romanfigur ist, dürften seine Schecks, auch eher, bedeutungslos sein. Aber, wenn Harry Bosch ein weiteres Mal ins Leben schnuppern darf, könnte er, vielleicht, eine neue Frau in seinem Leben begrüßen können, und das wäre ja schon mal was.
(Droemer)

ISBN 978-3-426-28159-8   410  Seiten  22,99€ (D)  23,70€ (A)

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