BUCHCOVERREZENSION
Rose.k Dornenspiel

KAREN ROSE –

Dornenspiel

Man hat nicht jeden Tag eine Ermittlerin, die im kriminellen Milieu arbeiten muss, aber stricken kann und die Origamipapierfaltkunst beherrscht. Special Agent Kate Coppola, mittlerweile beim FBI in Cincinnati, kann beides, auch wenn das mehr ihrem ADHS geschuldet ist. Dass man einem ein Drogendealer begegnet, der auf die alten und einfachsten Umgangsformen schwört, könnte den Erfahrungshorizont auch um einige Nuancen erweitern. Pünktlichkeit zu einem Drogendeal, merkt Euch das, gehört zur Höflichkeit. Auch wenn er hinterher das Leben kosten könnte. Der Professor ist da sehr penibel. Immerhin hat er den besten Stoff, den man liefern kann. Vielleicht sollte man hier etwas schludriger sein, oder, besser noch, gleich die Finger von solchen Substanzen lassen. Ein, zwei leckere Dosenpilseten sollten einen ähnlichen Effekt haben. Vor allem dann, wenn man ein Hammerbuch in der Hand hat und sich die Katze genüsslich auf dem Schosse räkelt, während man in den Seiten blättert und man das glatte, gekühlte, Aluminium mit den Händen fühlen kann, das gottgleiche, und Kehlen erfrischende, Labsal verspricht. Und man die „Grünen“, einmal mehr!, einer „Umweltschutz“-Lüge, wie so oft, fast schon üblich, überführen kann und wird, auch wenn es diese Gestalten wenig interessiert. Ihre Lügen sind ihnen wichtiger. Dosenpils bekommt man ja heute wieder in, fast, jedem Supermarkt. Dem Bier-Gott sei es gedankt. Auch wenn der Professor hinterher am Hungertuch nagen müsste, sollte es nicht wirklich ein Problem sein, der Mann hat ja noch eine weitere Einkommensquelle. Kinderpornografie. Karen Rose wirft viele Fragen auf,  gibt aber auch eine Antwort  für einen deutschen Schriftsteller, der fragte, warum wir, als Leser, uns das reinziehen. Ganz sicher Nervenkitzel, Gänsehaut und die Sicherheit, vor dem Buch zu sitzen. Aber auch das Thema, das wir solche Informationen nicht aus einer Tagespresse bekommen werden, die sich lieber mit solch schwerwiegenden Problemen beschäftigen muss, welcher Hund, einer A-, B- oder auch weiterführend im Alphabet, -Prominenz gehörend, gerade am Kai in Monaco mal sein Geschäft erledigt hat. Karen Rose präsentiert einen Seuchenvogel, dem das Leben anderer völlig wurscht ist, dessen Beziehungen bis in die obersten Chargen reichen, die sein Spiel mitmachen, er sich sicher, unangreifbar fühlt, und ein Spinnennetz aufgebaut hat, wo die Umlaufbahn des Jupiters um die Sonne zu einem Lochkreis in einer Kindermalschablone mutiert. Ein übermenschlicher Gegner, der vor nichts zurückschreckt. Und das Team von Frau Rose ist alles andere als optimal aufgestellt. Zu viel Mitgefühl für die Opfer, wobei das hier keine Kritik sein soll an den Leuten, die in dieser Branche arbeiten müssen. Nur werden sie an ihre emotionalen Grenzen stoßen. Die Traurigkeit und das Entsetzen über die Tatsache, dass manche Menschen gerade gegenüber Kindern, die ja hilflos sind, eine solche brutale Gewalt an den Tag legen, weil es für sie, entweder nur Geschäft ist, oder sie in einem Teufelskreis stecken, dessen einziger Weg nur in den Tod führen kann und sie ihren Nachwuchs mit in ihr Verderben ziehen werden, ohne Rücksicht auf Verluste, wird sich nicht wirklich positiv auf eine optimierte Ermittlungsarbeit auswirken. Der Professor weiß das und hat hier, jahrelang, vorgearbeitet. Menschen süchtig gemacht, deren Schwächen er gnadenlos ausnutzt. Deren Kinder er missbraucht. Über deren Leichen er geht, als wandele er auf den Pfaden der Erquickung. Stört jemand seine Kreise, muss er oder sie sterben. Er hält sich für den neuen Aristoteles, der seinen Spruch überlebt, weil der römische Legionär gerade bestochen wurde, oder auch schon getötet wurde. In dem Falle ist das seine Kundschaft, die im gesellschaftlichen Format, ganz weit oben steht.  Das ihm, bisher, noch keiner auf die Schliche gekommen ist, verdankt er seiner absoluten Professionalität, seinen wasserdichten Sicherheitsvorkehrungen, seiner bedingungslosen Brutalität und dem Geschmack seiner Kunden, die so hoch in einer Gesellschaft angesiedelt sind, dass sie ihn schützen werden und uns über die Klinge springen lassen würden, wenn sie es könnten. Karen Rose hätte Staatsanwältin werden sollen. Ihre Bücher sind eine offene Anklage, und auch nicht zu widerlegen, an einem System, das nur noch sinnlos wirken kann, im Sinne einer Demokratie, an die wir heute glauben sollen. Ein System, das sich nur selbst hochleben lässt und feiert, Menschenrechte nur für sich selbst gelten lässt, während es in den Absteigen der Zivilisation, die es selbst, und auch noch zielgerichtet, hervorgebracht hat, sich keinen Deut drum scheren wird. Wollen wir das? Nein! Das wollen wir nicht. Hey, in diesem Buch werden sie verlieren. Karen Rose hat eine klare Kampfansage gemacht, auch wenn ihre Protagonisten noch auf dem Weg der Selbstfindung sind. Aber eines ist doch, kristallklar, nachzuvollziehen. Paolo Pinkel und auch andere Gestalten, die sich selbst, für den Nabel der Welt halten und deren Bagage, wollen wir nicht. Nicht in unserem Leben, und nicht, in dem unserer Kinder. Der Professor hat eine Menschenschicht ausgegraben, denen das scheißegal ist, weil er dafür eine Ader hat. Er alles ausnutzt, was ihm Geld bringt. Aber uns darf das nicht egal sein, wenn unsere Kinder eine Zukunft haben sollen.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-65362-3  827 Seiten  16,99€ (D)  17,50€ (A)

KAREN ROSE – Todesschuss – Archiv Oktober 2016