BUCHCOVERREZENSION
Islington.j ErbeDerSeher

JAMES ISLINGTON –

Das Erbe der Seher

James Islington entpuppt sich als ein Schriftsteller, der nicht nur weit über den Tellerrand schaut, er dreht den Teller auch noch um. Die Unterseite und das darunterliegende Tischtuch der menschlichen Wahrnehmung in Augenschein nehmen zu können. Trotz seines ernsten Themas versucht er doch eine Auflockerung seines Romans. Wie dämlich muss ein Mensch sein. Ein Beispiel, dass Herr Islington, geradezu genüsslich, präsentiert, ist ein Adliger, der jetzt auf der Suche nach einer passenden Frau ist. Repräsentativ, liebreizend, gute Beziehungen sichernd, der Königstochter nahestehend, wo er schon mal abgeblitzt war. Da hat der Verstand wohl mal kurz ausgesetzt, wenn er denn überhaupt vorhanden gewesen sein sollte. Möglichst reich und hübsch, nicht genau in dieser Reihenfolge. Das hübsch und die Liebe bleiben da eher ganz weit hinten, auf der Strecke, könnten aber eine angenehme Zugabe sein. Nur? Die, vermutlich passende, „Wunschkandidatin“ ist eine begnadete Bogenschützin und ein kleiner Dickkopf. Besser gesagt, sie hat Mumm. „Er behauptete, er würde alles für mich tun, daher sagte ich, ich bräuchte jemanden, der meine Zielscheiben hält, während ich mit dem Bogen übe.“ Fantasie ist von unserer Gegenwart entfernt? Weit gefehlt. Der geneigte Leser wird mit atemerschwerenden Lachanfällen zu kämpfen haben. Während die Katze, mit wissendem Blick, daneben hockt und, nicht nur ihren Angestellten, der gerade, wie ein verliebtes Pferd in ein fast ewig dauerndes Wiehern verfällt,  sondern auch diesen abgekickten Volltrottel für völlig verblödet erklären wird. Der Leser kann nicht wirklich etwas dafür. Das  ist nun mal James. Wird die Katze, hoffentlich, wohlwollend stimmen. Vielleicht nicht die Aktion zu akzeptieren, aber, zumindest zu tolerieren. Und James Inslington geht seinen Weg weiter.  Dieser blind-politisch-verliebte Typ kann nur froh sein, dass es noch kein Hartz-IV-TV oder YouTube gibt, die ihn so richtig bloßstellen würden, nicht nur in dieser Welt. Aber auch so dürfte sich dieser Edelspross eines genauso alten, wie ehrwürdigen, Adelshauses, zum Gespött gemacht haben und, dementsprechend, die Frau nicht mehr ganz so interessant finden. Seine vorgespielten Gefühle von Liebe und Treue werden recht schnell umschlagen in Hass. Kein Wunder, dass Dezia, die Bogenschützin, in einer Gesellschaft von Leuten landet, die, mach mal ganz schnell, wie so manche heutige, zu hundert Prozent fehlgeleitete, Firmenideologie es referieren will, die Welt retten gehen müssen. Schnell geht nun mal nicht, wenn man nachhaltig agieren möchte. Und nicht nur reagieren will. Wie unsere „demokratische“ Bundesregierung, in ihrer offensichtlichen Situation, es ja augenscheinlich tut. James Islington sollten wir als Bundeskanzler wählen, schafft die Merkel, mit samt ihren hohlen Sprüchen, ab. „… Ich weiß, wie ich den Rat anpacken muss. Am besten vermittelt man ihm den Eindruck, man wolle ihn ausrauben, und dann bittet man um das, was man wirklich haben will.“ Der Mann ist weise! Er könnte, als vertrauenswürdiger Volksvertreter, durchaus punkten. Oder Gewerkschaftsvorstand sein. Leute, die Füße still gehalten, lasst ihn lieber im schriftstellerischen Bereich. In der Politik würde ihn das gleiche Schicksal erwarten, wie John F. Kennedy. Und „Licanius“ heißt Schicksal. Für alle Leser, die, bis jetzt noch nicht die Sprache der Darecianer verstehen, ins nordische übersetzt, heißt das Wyrd. Diesen Sprachkurs gibt es aber nicht bei Babbel, da braucht Ihr nicht zu suchen. Nehmt Euch James Islington und Bernard Cornwell zur Brust. „Wyrd biđ ful āræd“! Damit haben ja so manche anderen Romanfiguren auch zu kämpfen. Inslington reiht sich hier, nicht nur nahtlos ein, in die Riege der Schreiberlinge, die ihre Protagonisten vor, schier unlösbare Probleme stellen. James fordert doch ein bisschen mehr. Die Rettung der Welt? … hatten schon Super- und Batman vor. Die Rettung einer alten Rasse von Sehern, die sich selbst ins Knie geschossen hatten, und damit, für eine bedrohliche Niederlage einer kompletten Welt verantwortlich sein könnten, das hatte wohl noch keiner auf dem Plan. Davian ist nicht „begabt“, kann keine Essenz wirken. Aber, er ist ein Augur. Ein Erbe der alten Seher. Ein „schlafender Riese“. (Roosevelt?). Mit einer Macht, die schier unglaublich ist und nicht nur scheint, nur muss er geweckt werden. Noch weiß keiner, zu was er fähig ist, er selbst am wenigsten. Genau wie Caeden, der noch nicht einmal seine eigene Vergangenheit kennt, nur weiß, dass er schrecklicher Verbrechen verdächtigt wird, deren er sich nicht wirklich erinnern kann. Werr ist der Kronprinz, und ein „Begabter“ noch dazu. Ein, angenommener, Feind seiner bisherigen Welt und, damit, auch seiner eigenen Familie. Die, eigentlich, gegen „Begabte“ vorgegangen ist und damit strategisch loyal auf die aktuelle Politik reagieren wollte. Obwohl da schon einige im Umdenken sind. Aber das braucht Zeit. Das geht nicht so schnell, auch wenn die Ereignisse auf ein schnelles Handeln drängen. Jamie hat einen guten, alten Betonmischer in einer Garage entdeckt, den herausgeholt und füttert das Teil mit seinen Gedanken, die in ihrer Rotation zu ungeahnten Ergebnissen führen werden. Debüt? Kaum zu glauben. Der Mann scheint älter, als er ist. Oder hatte er Stephen Hawking als Berater? Sich mit Zeitparadoxen zu beschäftigen und gleichzeitig einen Fantasieroman zu schreiben, der noch mehr (un)mögliche Dinge beschreibt, das ist schon absoluter Wahnsinn. Dafür gibt es hier sechs Sterne, von möglichen fünfen. Musikalische Unterhaltung gefällig? Idaaliur. Mit seiner Platte „Rainbow of Solitudes“ sollte dieser Leseabend unterhaltsam und interessant abgerundet werden.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-52095-6  783  Seiten   16,99€ (D) 17,50€ (A)