BUCHCOVERREZENSION
Gilbers.h Endzeit

HARALD GILBERS –

Endzeit

Schön, dass man Kommissar Oppenheimer, nach Kriegsende, einen Judenstern verkaufen will. Harald Gilbers beweist einen ziemlich schwarzen Humor. Ist schon komisch, dass ein Symbol, das im Dritten Reich für Verfolgung und Vernichtung stand, plötzlich eine Wiederauferstehung erlebt, nur, dass es kein wirkliches Feedback von den russischen Besatzern geben wird, die ja doch ein ganz eigenes Verhältnis mit der jüdischen Bevölkerung hatten. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, den Harald mit allen möglichen Schwierigkeiten pflastert. Der Krieg liegt in den letzten Zügen und die Rote Armee, in bedrohlicher Reichweite, vor Berlin. Sehr zum Leidwesen der westlichen Alliierten und der, noch übriggebliebenen, Reichsführung sowieso. Die jetzt noch einmal alle letzten Reserven mobilisiert, um so viele Menschen, wie möglich, mit in den Tod zu nehmen. Den Iwan so lange wie möglich aufzuhalten versucht, damit die Amerikaner, Briten und Franzosen doch noch so manche der Kastanien abbekommen, die auf  Deutschen Feuern kochten. Der Krieg ist noch nicht wirklich beendet und schon versucht jeder seine Schäfchen ins trockene zu bekommen und man handelt plötzlich mit Forschungsunterlagen und Wissenschaftlern, wie man das heute vom Profi-Fußball kennt, wo man versucht, jedes Talent aufzukaufen, auch wenn das hinterher nur auf der Bank sitzt. Hauptsache, derjenige kann nicht mehr auf der Gegenseite agieren. Und Oppi hängt wieder mittendrin. Richter Freisler ist tot, aber Hilde ist immer noch im Knast. Zumindest hat Richter „Tod im Namen des Volkes“ keine Möglichkeit mehr, Hilde zum Schafott zu delegieren. Die Russen bevölkern Berlins Straßen. Der Widerstand der letzten Fanatiker wird langsam, aber sicher gebrochen. Harald Gilbers schreibt über eine Zeit, die lange hinter uns liegt, die uns jedoch immer begleiten wird. Die, bis hier hin, größte Katastrophe der Menschheit, die mit zwei Atomschlägen am 6. und 9. August, in Hiroshima und Nagasaki, ihren letzten menschenverachtenden Höhepunkt feierte, liegt uns heute ja noch schwer im Magen. Nur hat die Menschheit nichts dazu gelernt, wie Harald dann auch schildern wird. Trotz Stalins Verbot, Übergriffe auf die deutsche Bevölkerung zu verüben, wird es genau diese geben und Oppenheimers Frau Lisa ist nur ein Opfer einer Vergewaltigung durch russische Besatzungssoldaten, denen, hier jede Disziplin abgeht. Harald hat Respekt vor einem Mann, der, in der Berliner Nachkriegsgeschichte, wirklich wieder menschliche Geschichte schreiben wird. Nikolai Bersarin, Generaloberst der Roten Armee. Sicher war er auch ein Stalinist, was heute ja schon einem Schimpfwort gleichkommt. Aber er war auch ein Humanist. Der erste Stadtkommandant der besetzten Reichshauptstadt, die, unter seiner Führung, endlich wieder in eine Normalität schauen konnte, die es lange nicht mehr gab. Harald lässt Oppi und den Machtapparat der Roten Armee zusammenkommen. Lisa wurde vergewaltigt. Das muss geahndet werden, keine Frage. Und dafür stand Bersarin auch ein. Oppenheimer muss einer Bande von russischen Deserteuren auf die Spur kommen, deren blutiger Pfad Schneisen durch das Nachkriegsberlin zieht. Harald hat es drauf, deutsche Geschichte, während des Krieges und auch danach, wieder zum Leben zu erwecken, so dass man es auch wirklich nachvollziehen kann. Das hat doch heute kein Geschichtsbuch mehr auf dem Plan.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-51644-7  548  Seiten (+ Infos)    9,99€ (D) 10,30€ (A)

HARALD GILBERS – Odins Söhne – Archiv Okt. 2015 TIPP
HARALD GILBERS – Germania – Archiv Feb. 2014