BUCHCOVERREZENSION
Minier.b Kindertotenlied

BERNARD MINIER –

Kindertotenlied

„Anelka ist eine Null“, sagte Pujol. Recht hat er. Bernard ist zurück, mit ihm Commandant Martin Servaz. Bevor Minier richtig loslegt, macht er sich erst mal lustig über den Fußball. Insbesondere zielt er auf die französische Nationalmannschaft, die 2010 bei der WM in Südafrika, mit professionellem Kicker-Sport genauso viel gemeinsam hatte, wie ein Trödelhändler der Antike mit einer Supermarktkette. Der Weltmeister als Kindergarten.  Bernard Minier zeigt aber noch etwas anderes. Im Zuge der Ereignisse, wo Ablenkung durch „Brot und Spiele“ zum Tragen kommt, machen sich so einige Gestalten auf den Weg. Politiker, die neue Gesetze kreiert haben, um uns mal wieder Geld aus unseren Taschen in ihre eigenen zu leiern bis hin zu Figuren, die hier im Verborgenen, ihren inhumanen Trieben und Bedürfnissen freien Lauf lassen. Ein brutaler Mord an einer Lehrerin der Elite-Uni in Marsac, wo auch Martin zum Zwecke des Sammelns von Wissen für das zukünftige Leben ging, erschüttert ganz Frankreich. Der Tatort ist sorgfältig drapiert und der Verdächtige sitzt, quasi, auf dem Silbertablett für die Ermittler. Nur ist Hugo der Sohn von Servaz Jugendliebe, Marianne, die ihn kontaktiert und bekniet, alles zu tun, damit ihr Sprössling heil wieder zu Hause ankommt. Wo Minier im „Schwarzen Schmetterling“ eine eher gerade Linie hatte, geht er jetzt verschlungene Pfade. Hirtmann, der flüchtige Massenmörder, taucht immer wieder am Rande auf. Ein Alptraum für den Commandant, dessen Tochter Margot sich in diesem Fall verstrickt und zum Zielpunkt aller Psychopathen wird, die in diesem Buch ihre Visitenkarte abgeben. Minier hat diese Typen mit einem Schaufelbagger ausgegraben, gleich im Dutzend, sozusagen. Bernard ist das ungekrönte Oberhaupt des französischen Thrillers, was er hier unter Beweis stellt. Wer Gänsehaut mag, starke Nerven hat und einen Touch Sherlock Holmes verträgt,  sollte mit Martin Servaz auf die Reise gehen. Wenn man das Unmögliche ausschließt, kann ja nur noch das Mögliche da sein. Nur, dass Bernard immer wieder den Blick auf das Mögliche verschleiert. Von Anfang an den Blick darauf ablenkt. Vom Leser verlangt, sich selbst mal Gedanken zu machen, was für gestörte Individuen in unser Leben eindringen wollen. Aber auch Fragen stellt, wo unsere „Demokratie“, wie üblich, versagt hat und, immer wieder, versagen wird. Julian Hirtmann ist ein Serienmörder, ganz klar. Laut den demografisch und demokratisch voll Verpeilten ist er  KEIN Verbrecher. Er ist ein PATIENT, dem man „helfen“ und „therapieren“ sollte. Jetzt ist er zwar flüchtig und wieder auf Okkupationskurs und seine Opfer sind nur Kollateralschäden. Aber man kann ihm ja „helfen“. Eine Frage, die Bernard hat, ist, wer sind wir, wenn wir das Opfer solcher Idioten werden sollten. Hirtmann nur am Rande, aber voll in Aktion. Servaz hat jedoch noch andere Probleme. Minier auf Highspeed und voller Fragen, die uns keiner beantworten wird. Wir haben ja eine „Demokratie“ und das Volk steht außen vor. Eigentlich ist es kein Wunder, dass das wir Fernsehfron zahlen müssen. Muss ich zahlen, könnte ich ja auch gucken. Nur werden Probleme nicht diskutiert, aber unter den Tisch gefegt. Minier gibt den Blick frei, wenn er auch etwas Zeit dafür in Anspruch nimmt.

(Droemer)

ISBN 978-3-426-30447-1  650  Seiten     9,99€ (D)  10,30€ (A)

B. Minier – Schwarzer Schmetterling – Archiv Aug. 2013