BUCHCOVERREZENSION
Sigurdardottir.y SeelenImEis

YRSA SIGURÐARDÓTTIR  –

Seelen im Eis

Yrsa braucht keine bösen Buben, die scheußlich lachen und sich für den Nabel der Welt halten. Oder die Herrschaft über den Planeten anstreben. Ihr Thriller ist im alltäglichen angesiedelt, gleich um die Ecke, mit dem banalen, könnte jeden Tag passieren. Island ist ja nicht so weit weg. Menschlich gesehen. Die EU braucht man, für solche Erkenntnisse, nicht unbedingt. Und Yrsa rollt einen Fall auf, von dem man Pickel bekommt, die größer als Blauwale werden. In Krókur, einem kleinen Heim für Kinder, die auf Abwege geraten sind, oder eher gedrängt wurden, passieren so einige Dinge, die, nicht nur, den Leser aufstoßen lassen. Zwei tote Jugendliche sind schon ein Punkt, wo man mal nachforschen sollte. Jahre später. Oðinn, ein Mitarbeiter einer staatlichen Ermittlungsbehörde, soll dort Licht in die entstandene Finsternis bringen. Yrsa tobt zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, peitscht dem Leser Dinge an die Jacke, unglaublich. Mit Oðinn will man nicht tauschen. Dabei hat er das Projekt nur übernommen. Und er hat noch andere schwerwiegende Probleme. Seit dem Tod seiner Frau ist er alleinerziehender Vater seiner elfjährigen Tochter Run. Nur, das Lára unter recht mysteriösen Umständen ums Leben kam. Wie verarbeitet man das alles? Und meistert nebenbei noch seinen Alltag. Beruf und Kind sind ja doch zwei verschiedene Nummern, vor allem wenn der Nachwuchs traumatisiert ist, Oma nicht sehen will, düstere Bilder malt, deren Inhalt sie selbst nicht erklären kann, aber offensichtlich mit Tatsachen von Oðinns Projekt tangieren. Schön, Schwiegermutter muss nicht wirklich zum tagtäglichen gehören, nur hat die Gute ja auch genug durchgemacht. Sie hat in Krókur gearbeitet. Hat also Informationen, über die ihr Schwiegersohn nicht verfügt. Aber weder Vater und, schon gar nicht, die Tochter, sorry, jetzt elf Jahre alt, haben davon die Ahnung, oder doch? Frau Sigurðardóttir zieht den Knebel eng. Tanzt auf dem Grat des Wahnsinns einen Reigen, da braucht man psychologische Betreuung. Was sie Oðinn, und dem Leser, vor den Latz haut, hat ja dann doch nicht viel mit Alltag zu tun. Die Autorin holt Magma aus erloschenen Vulkanen. Aktiviert Katastrophen, da braucht man weder Mafia, noch Yakuza, oder chinesische Triaden. Im stinknormalen, ein Tag wie jeder andere, hat Yrsa mehr Probleme parat, als ein normaler Psychologe behandeln könnte. Um ein spannenden Roman zu kreieren braucht Frau Sigurðardóttir keine imperialen Sternenkreuzer, machthungrige und/oder außerirdische Eroberer oder wilde, brandschatzende Barbaren, sie hält sich an den banalen Alltag.

(Fischer)

ISBN 978-3-569-19533-6  362 Seiten     9,99€ (D)   10,30€ (A)

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