BUCHCOVERREZENSION
Winner.j DasGedankenExperiment

JONAS WINNER  –

Das Gedankenexperiment

Ein unbestreitbarer Fakt ist, Jonas Winner ist ein Schriftsteller, mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Den Leser an ein Thema heran zu führen, mit dem selbiger sich erst mal auseinander setzen muss, ist schon phänomenal. Darüber hat man sich vorher nicht wirklich Gedanken gemacht. Die Evolution nach zu spielen, um dabei die Rolle der Sprache zu erforschen, überhaupt die gesamte Kommunikation aufs Korn zu nehmen, ja muss man erst mal drauf kommen. Ganz so einfach gestaltet es Jonas nicht. Zumindest will er die Lehren Darwins und Mendels nicht ignorieren.  In unserer heutigen Zeit ist die Kommunikation auf wenige Worte geschrumpft, Geld, Macht. Dummheit, sportlich organisiert, gehört eindeutig nicht in seinen Wortschatz, aber er lässt ihn einfließen.  Der Satz, Menschen könnten sterben, hat schon zu viele Worte, kann man ja auf zwei Worte reduzieren, Geld, Macht. Auf das UND kann man dabei auch verzichten. Braucht man nicht wirklich. Zeit für eine neue Sprache, die alles, was human sein sollte, bei Seite lässt. Jonas ist auf der Suche des Stellenwertes unserer Sprache, den Gedanken, die wir im Hinterkopf haben, der eigentlichen Philosophie unseres Lebens und deren, doch recht unterschiedlich auslegbaren, Anschauungen. Aus diesen Zutaten einen Thriller zu backen, in dessen Mittelpunkt die philosophischen Andeutungen und Auslegungen von namenhaften Personen herumgeistern, hat schon etwas für sich. Nur, wer hat wirklich daran gedacht, als man die Katze gefüttert hat. Gedankenexperimente sind ja keine moderne Erfindung. Jonas lässt seinen Protagonisten Karl im Trüben fischen. Erst haut er ihm die Beine unterm Hintern weg, indem er ihn seiner Forschungsgelder beraubt, um ihm dann die Alternative anzubieten, für den bekannten Forscher Leonard Habich, in Sachen, wie mache ich mir Gedanken, zu arbeiten. Unweit Berlins, also gleich mal um die Ecke. Nur passieren da ungewöhnliche Dinge und Karl Borchert hat erst mal den Kopf voll. Er lernt Lara kennen, die Frau seines derzeitigen Arbeitgebers, könnte eher dessen Tochter sein, eher seinem Alter entsprechend, und deren Informationen zu verarbeiten, setzt ihm doch etwas zu. Dazu kommen Alpträume. Und der erste Tote. Hier wird klar, Herr Winner macht keine Gefangenen. Dabei sollte es für Karl nur ein Job sein. Ein Abstieg in finstere Keller inhumanen Denkens trifft es wohl eher. Auf diesem Pfad entpuppt sich Jonas Winner als Trüffelschwein, punktgenau attackiert er den Nerv des Lesers. Der vorher noch nicht mal wusste, worauf er sich eingelassen hat. Winner hackt auf den Leser ein, ist eine wahre Pracht, muss sich selbiger mit Sachen auseinander setzen, die sie/er vorher nicht wirklich wahrgenommen hat. Nicht mal ansatzweise, darüber sich Gedanken gemacht hätte. Jonas setzt sich über das normale Miteinander hinweg. Er zelebriert einen Alptraum in Sachen, wie nehme ich mich selbst wahr. Wie nehme ich mich selbst wahr, wenn jemand anderes an mir herumpfuscht und ich es nicht wirklich beeinflussen kann? Wie ein Rammbock stößt Winner den Leser in eine Gedankenwelt, die bisher Philosophen vorbehalten war. Nur, ob da so mancher zu normalem Denken fähig war, ist oder sein wird, da offenbaren sich doch eher Tausende von Fragezeichen.

(Droemer)

ISBN 978-3-426-28105-5   384 Seiten +Nachwort   19,99€ (D)  20,60€ (A)

(Rezi Jonas Winner „Der Architekt“ im Archiv November 2012)