BUCHCOVERREZENSION
Larsson.s Verdammnis

STIEG LARSSON –

Verdammnis

Lisbeth Salander nimmt sich eine Auszeit. Nach dem anstrengenden Thriller „Verblendung“ hat sie es ja verdient. Trotz ihres Status als schwieriger Mensch, durch den schwedischen Staat als nicht gesellschaftsfähig, oh Pardon, geschäftsunfähig und betreuungsbedürftig gebrandmarkt, versucht sie ihr Leben durchzuziehen. Herr Larsson hat hier einen Charakter erschaffen, der seines gleichen sucht. Sie hat sich richtig durch die Abgründe menschlichen Abfalls gebuddelt. Nun ist sie, wie auch immer, wirtschaftlich unabhängig. Und jetzt sucht sie etwas Ruhe. Während Mikael Blomkvist, im Rahmen seiner Zeitung „Millennium“ und einer Buchveröffentlichung, momentan an einer Story rührt, Mädchenhandel in Osteuropa via Schweden, mit den dazugehörigen Fakten menschlicher Gier, Machtsucht und Geldgeilheit, gepaart mit extremer Rücksichtslosigkeit gegenüber den Opfern, über die keiner spricht. Was ihm jetzt wirklich fehlt, ist Salanders besondere Fähigkeit, Informationen zu beschaffen. Das Graben durch die humangenetische Mülldeponie scheint ein besonderes Hobby von Stieg Larsson zu sein, vor allem deswegen, weil er es ja seinen „Angestellten“ überlassen kann. Nur ist die Konsequenz, dass  zwei seiner „freien“ Mitarbeiter ermordet werden. Um dem die Krone aufzusetzen, wird Lisbeth dringend gesucht… Mordverdacht in drei Fällen, da noch jemand dran glauben musste. Da hat zwar mal der richtige ins Gras gebissen, aber aus juristischer Sicht bleibt es eine Straftat. Im letzten Fall wäre es nicht Mord, sondern Selbstjustiz. Zumindest für den Leser, der, schon vom ersten Teil her, mehr Informationen hat, als die schwedische Polizei, die trotz ihrer unendlichen Weisheit, im Finsteren tappt. Aber als treuer Lisbeth-Fan glaubt man erst mal an die Unschuld. Ob Stieg Larsson einer ist, kann man nicht so genau sagen, da er die Situation von Seite zu Seite verdichtet und daran arbeitet, sie in einem schlechten Licht darzustellen. Zwar dürfen beteiligte Personen ihre Zweifel anmelden, aber die Delinquentin bekommt hier keine Chance, sich zu äußern. Und so wird die Beweis- bzw. Indizienlage immer erdrückender. Herr Larsson initiiert eine Extremsituation, ein Mensch ist anders als die anderen, könnte Dreck am Stecken haben, also kann man nach Herzenslust auf ihm herumhacken, kann er/sie sich ja nicht wehren. Und die Gerüchteküche strömt Wolken aus, so irrelevant, dass sich einem die Nackenhaare aufstellen. Wenn eine normale Hauskatze das lesen könnte, würde man sie als riesigen Löwen, mit prächtigster Mähne, sehen. Wäre die Dummheit der Menschen ein Fluss, würden der Nil zum Rinnsal degradiert werden und der Amazonas könnte als Planschbecken in einem Kindergarten durchgehen. Und es werden die Dinge immer verwirrender, die Verwicklungen immer undurchschaubarer. Fesselnde Lektüre, teilweise mit einem doch sehr eigenwilligen Humor gewürzt, aber bis zum Ende gibt es noch die eine oder andere Überraschung.

ISBN 978-3-453-43317-5  751  Seiten  9,95 € (D)   10,30 € (A)

(Heyne)