BUCHCOVERREZENSION
Connelly.m NeunDrachen

Michael Connelly –

Neun Drachen

Wenn so gewisse Schriftsteller, wie zum Beispiel Frau Val McDermid und Herr John Katzenbach, von einem Kollegen begeistert sind, kann man als Leser gefahrlos diese Empfehlungen annehmen. Und Michael Connelly kann überzeugen. Mit dieser Handlung entführt er den Buchstabenverschlinger in eine Welt der amerikanischen Chinatowns mit allem Drum und Dran. Die Sichtweise wird erweitert auf Dinge, die wir uns nicht so richtig vorstellen können. Asiatische Lebensweisheiten, gepaart mit amerikanischen Pragmatismus und einer schönen Prise zum Thema der Rolle der chinesischen Triaden im Leben so mancher unserer Mitmenschen. Ist schon Wahnsinn sich in solch ein Thema rein zu hängen, das eigentlich nur hinter vorgehaltener Hand erwähnt, geschweige denn öffentlich diskutiert wird. Es gibt einen kleinen Einblick in die Nachbarschaft, die so ganz anders ist und vieleicht auch recht fremdartig anmutet. Detective Harry Bosch hat einen Mordfall, der genau in diesem Genre angesiedelt ist. Ein Ladenbesitzer, den er mal flüchtig kennen gelernt hatte, wurde zu den Ahnen geschickt und nun ist es an ihm, dieses Delikt aufzuklären. Mr. Li, das Mordopfer, trotz seiner traditionellen Verbindung zu den Triaden, liegt ihm am Herzen und so setzt er Himmel und Hölle in Bewegung, um Licht in diesen, doch eher mysteriösen Fall zu bringen. Einen Verdächtigen schnappt er sich, doch so richtig will sich das Glück des erfolgreichen Ermittlers nicht einstellen. Erstens ist der Verhaftete nicht nur Chinese, sondern auch Mitglied, oder eher Handlanger einer Triade, dementsprechend nicht wirklich gesprächig. Harry tappt erst mal im Dunklen, aber wo Schatten sind, ist auch Licht. Umgekehrt ist es allerdings auch. Seine Ex-Frau lebt mit der gemeinsamen Tochter in Hongkong, also meilenweit entfernt. Man telefoniert, kommuniziert über die heutigen technischen Möglichkeiten, aber ein wirkliches Familienleben ist es nicht. Und er bekommt Drohungen, für den Fall, dass er sich nicht von den Ermittlungen gegen den Triaden-Diener zurückzieht. Nur ist Harry Polizist aus Leidenschaft und mischt weiter so manchen Kartenstapel, nur dass auch andere noch einen Talon in der Hand halten, mit dem sie mithalten können. Und plötzlich hat er einen zweiten Fall am Hals, die Entführung seiner dreizehnjährigen Tochter. Detective Bosch dreht langsam durch und jagt nach Hongkong, um als erstes seine Ex zu beschwichtigen und als zweites nach seinem Nachwuchs zu suchen, oder war es umgekehrt? Möge der geneigte Bücherwurm selbst entscheiden, welche Variante für ihn schlüssig ist. Die Lage spitzt sich zu und mehrere Personen, der Polizist Bosch, der Vater Bosch und der Ex-Mann von Mutter Eleanor, natürlich auch Harry Bosch geheißen,  stehen vor schwerwiegenden Entscheidungen. Diese drei müssen jetzt zusammenarbeiten, eine Art multiple Persönlichkeit also. Wie würde man selbst entscheiden? Eins muss man Michael Connelly attestieren, er erschafft Personen, die mit sich selbst erst mal arbeiten müssen um an die Problematik heran zu kommen, um die es in seiner Handlung geht. Harry Bosch ist das Paradebeispiel, da er von mehreren Seiten das Problem, das sich ihm stellt, beleuchten muss und wirklich Zeit zur Beurteilung bleibt ihm nicht. Ein wahrer menschlicher Charakter erblickt den Sonnenschein des Lesers, fiebert man mit Bosch einfach mit. Connelly zieht alle Register, um die multiple Persönlichkeit des Hauptakteurs nicht zur Ruhe kommen zu lassen, er stellt eine Aufgabe und unser Held soll sie lösen. Nur ist die Sache manchmal nicht ganz so einfach, wie sie aussieht. Harry Bosch ist ein Alltagsmensch, wie wir alle, nur das ein paar von uns andere Aufgaben haben, die vielleicht nicht ganz so spektakulär sind, wie seine, aber mitfühlen und mitzittern ist absolut natürlich. Connelly ist, manchmal, ein sehr einfühlsamer Schreiber, der nicht desto Trotz, seinen Akteur so richtig in den Dreck greifen lässt, aber Michael stört das wohl eher etwas weniger, noch zwei Sitzungen, und Harry ist reif für die Couch, oder der Leser. Aber Michael wäre nicht Connelly, wenn nicht doch noch extreme Wendungen da wären und dafür haben McDermid und Katzenbach die Hand ins Feuer gelegt. Der Leser wird es auch tun.

ISBN   978-3-426-50789-6     477 Seiten    9,99€ (D)     10,30€ (A)

Knaur